Bibelpastorale Arbeitsstelle
Schweizerisches Katholisches Bibelwerk
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Newsletter 8 / November 2006

Liebe Leserin, lieber Leser ,

gerade noch am letzten Tag des Novembers erscheint der Newsletter dieses Monats. Wir bitten um Verständnis. Es war sehr viel los, vor allem die Fertigstellung unseres Kurses "Glaubenssache". Schauen Sie doch mal rein unter www.glaubenssache.ch. Aber auch der Start unserer neuen Reihe von Kommentaren zu den alttestamentlichen Sonntagslesungen in der Schweizerischen Kirchenzeitung. Die ersten Texte finden Sie auf unserer Homepage. Zum Glück steht jetzt der Advent vor der Tür und damit kommen etwas ruhigere Zeiten auf uns zu. Hoffentlich auch auf Sie. Vielleicht finden Sie ja Zeit zum regelmässigen Bibellesen? Dazu gibt es hier ein Angebot. Zum Glück gibt’s übrigens auch unseren Buchtipp "Buch des Monats".

Mit herzlichen Grüssen - das BPA-Team

Aktuelle Veranstaltungen

Bibellesen am Freitagabend
Thema: Hiob. Ringen mit Gott
im "Centrum 66", Hirschengraben 66, 8001 Zürich
Leitung: Hans Schwegler, lic. theol.
24.11./1.12.06/12.1./19.1./26.1.07
Jeweils 18.30-19.45 Uhr
Es können auch Einzelabende besucht werden.
Auskunft: Hans Schwegler, Wallisellerstrasse 20, 8152 Glattbrugg, Tel. 044/8102427

Buch des Monats

Luzia Sutter Rehmann / Ursula Rapp / Ulrike Metternich (Hrsg.), Zum Leuchten bringen. Biblische Texte vom Glück, (Gütersloher Verlagshaus) Gütersloh 2006, Kt., 208 S., EUR 19,95 [D] / EUR 20,50 [A] / SFr 36,10 ISBN 3-579-05405-8

Was sagt die Bibel über das Glück? Dieser Frage sind die drei Herausgeberinnen zusammen mit der lateinamerikanischen Theologin Nancy Cardoso Pereira und der Altmeisterin sozialgeschichtlicher Exegese Luise Schottroff nachgegangen. Herausgekommen ist dabei eine Entdeckungsreise in christliche Traditionen und biblische Texte, die durchaus auch für Glückssucher, die theologisch nicht vorgebildet sind, lesbar und interessant ist.

Bereits die Einführung ins Buch durch die Herausgeberinnen macht darauf aufmerksam, dass "Glück" eigentlich theologisch immer verdächtig war. Entweder es wurde in die Nähe der Selbsterlösung gerückt oder – wie zum Beispiel beim Buch Kohelet – mit dem Verdacht hedonistischen Strebens behaftet. Demgegenüber bekamen Christinnen und Christen dann Sätze zu hören wie: "Wir sollten nicht nach unserem Glück streben, sondern unsere christliche Pflicht erfüllen, Verantwortung übernehmen, uns zurücknehmen zum Wohle aller und den Willen Gottes annehmen und sogar tun." (6f)

Aber: "Was ist denn Glück?" Wieder einmal gilt es "genau hinzuschauen".

Hat man sich erst einmal auf das Buch eingelassen, dann merkt man sehr schnell, in wie vielen theologischen Bereichen das Thema "Glück" eine Rolle spielt: in der Vertröstung auf das Jenseits, wo es dann zur "Seligkeit" wird, aber auch in esoterischen Entwürfen positiven Denkens, die ein Art "Glücklichsein light" anbieten nach dem Motto: Don’t worry, be happy. Und: Ist denn wirklich alles schon "Glück", was mir "zufällt"?

Fragen über Fragen: Wie kommt das Glück zu uns und wir zu ihm? Warum erreicht es uns manchmal und manchmal nicht? Welche Kraft steckt in Erfahrungen mit dem Glück?

Die Autorinnen dieses Buches fragen nach dieser Kraft und gehen der Herkunft, der theologischen Tiefendimension und der Präsenz des Glücks in der Bibel nach. Diese Suche führt sie zu Bildern und Geschichten, die die eigenen Glückserfahrungen und -sehnsüchte wecken und stärken:

Ursula Rapp untersucht die Seligpreisungen der Bibel als "Glückssprache" und macht vor allem aufmerksam auf deren Provokation: Es werden nicht diejenigen seliggepriesen, die nach unseren heutigen Massstäben vielleicht auf der Sonnenseite des Lebens sich befinden, sondern gerade die Ausgegrenzten und Ohnmächtigen bzw. diejenigen, welche sich diesen zuwenden. Dazu gehört Mut, dadurch etwas anderes in die Welt zu rufen, als das Normale und (sonst) Gültige.

Ulrike Metternich untersucht das theologische und literarische Schaffen von Dorothee Sölle, die einmal – vielleicht für manche etwas überraschend – das Glück als ihr "Grundgefühl" bezeichnet hat. Die Jagd nach dem Glück hingegen hat sie als etwas Krankhaftes empfunden (44). Die Autorin kann zeigen, dass dies bei Sölle die Glückssuche nicht ausschliesst, sondern im Gegenteil dazugehört als Treffpunkt von "Mystik und Widerstand" (56).

Ein drittes Beispiel: Ich gebe gerne zu, dass der so unverdächtig überschriebene Beitrag "Glück. Schwere und Gnade in der lateinamerikanischen Theologie" von Nancy Cardoso Pereira auf mich als Mann etwas verstörend gewirkt hat. Wann habe ich mich schon einmal mit der "Erotisierung der Theologie" oder der "orgastischen Lektüre der Bibel" beschäftigt? Auch wenn ich weiss, dass in den biblischen Sprichwörtern die Symbolik des Weiblichen aus typisch männlicher Perspektive oft und gerne moralisierend aufgespalten wird, so ist es doch noch einmal etwas anderes, die "Umkehrungen" in der Re-Lektüre der lateinamerikanischen Theologin zu lesen. Aber gerade im Nachdenken über das "Glück" wäre diese Frauenperspektive heilsam! Ich habe – nicht nur durch diesen Beitrag – gelernt, dass Glück ganz und gar nichts Harmloses ist – genau so wenig wie der Gott, der dahintersteht.

Es ist hier leider nicht der Raum, alle Beiträge gebührend zu würdigen. Trotzdem sei noch auf die immer wieder eingestreuten Gedichte von Luzia Sutter Rehmann, Dorothee Sölle, Hilde Domin und Rose Ausländer hingewiesen, die nicht einfach nur das in den Beiträgen bereits Gesagte "illustrieren", sondern in ihrem poetischen Zugang noch einmal ganz neue Dimensionen zum Thema beitragen.

Wer sich zusammen mit den Autorinnen auf die Glückssuche machen möchte, hat in diesem Büchlein die ideale Begleiterin gefunden.

Dieter Bauer

Zitat der Woche

Unglaublich, wie gross das Meer ist. Die ersten Menschen gingen nicht allein an den Strand, sondern sie fragten andere, ob sie auch mitkämen. Dann fassten sie sich an den Händen und gingen zusammen zum Meeresufer. Zu zehnt müssen wir mindestens sein, sagten sie, damit wir das Meer sehen können, einer allein schafft es nicht.

Franz Hohler, Der Strand, in Jürg Schubiger Franz Hohler, Aller Anfang. Bilder von Jutta Bauer, Beltz und Gelberg 2006, S. 72.