Schweizerisches Katholisches Bibelwerk

Bibelpastorale Arbeitsstelle

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Newsletter 23 / Februar 2008

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

Der jüdisch-christliche Dialog gerade bei der Auslegung der Bibel ist uns ein grosses Anliegen. Das das sehen Sie am Buch des Monats und das schlägt sich nieder in unseren Auslegungen der alttestamentlichen Lesungstexte in der SKZ, zu denen wir immer öfter positive Rückmeldungen bekommen. Sie sind zu finden unter: http://www.bibelwerk.ch/index.php?&na=0,0,0,0,d,68682,0,0

Das Zitat dieser Woche ruft wieder einmal ins Bewusstsein, dass dieser Dialog „nach Auschwitz“ stattfindet und von der Erinnerung an die Schoah entscheidend geprägt ist.

In diesem Newsletter finden Sie viele interessante Veranstaltungen, ganz aktuelle und solche zum Vormerken für weiteren Verlauf des Jahres.

 

Herzliche Grüsse vom Team der BPA

Dieter Bauer, Peter Zürn

 

Zitat der Woche

 

„Es ist, als befinde man sich in einem grossen Saal, in dem viele Menschen fröhlich sind und tanzen und wo es auch einige Menschen gibt, die nicht glücklich sind und die nicht tanzen. Und von Zeit zu Zeit werden einige von diesen letztgenannten Menschen abgeholt, in einen anderen Raum geführt und erwürgt. Die glücklichen Menschen, die im Saal tanzen, merken das überhaupt nicht. Vielmehr sieht es so aus, als erhöhe das noch ihre Freude und verdoppele ihr Glück."

Moshe Flinker, 16 Jahre, Brüssel, 21. Januar 1943, zitiert nach Saul Friedländer, Das dritte Reich und die Juden, München 2007, S. 780.

Aktuelle Veranstaltungen

 

Radio-Hinweis: "Gott, weiblich" - Die Spuren der Weiblichkeit Gottes findet man auf Bildern und Skulpturen, in Gebeten und Gedichten. Die schönsten Zeugnisse dieses fraulichen Gottesbildes sind zur Zeit in Freiburg ausgestellt. Mehr dazu in "Siesta" Mittwoch, 27. Februar, 14.05, DRS1

 

Theologie und Sprache
Interdisziplinären Studienwoche der Fachschaft Theologie deutsch vom 03.-07. März 2008 an der Universität Fribourg. Das Thema «Theologie und Sprache» soll im Sinne einer «tour d´horizon» von verschiedenen Seiten her beleuchtet werden. Dafür haben wir Referenten von verschiedenen Universitäten und aus dem praktischen Bereich eingeladen. Thematisiert werden u.a. die Bibel als Literatur, die Bibel in gerechter Sprache, das neue Theaterstück von Hansjörg Schneider «Jesus und die drei Mareien» und auch der Bereich der Predigttexte. Ein Liedermacher wird von seiner Arbeitsweise mit religiösen Texten in Liedern berichten und Literaturwissenschaftler sollen zu Wort kommen. Besonders hinweisen möchten wir auf die Lesung von Pedor Lenz am Mottwoch Abend um 20h in der Art-Buvette an der rue Pierre-Aeby in Fribourg. Weitere Informationen unter: http://www.kath.ch/index.php?&na=11,4,0,0,d,90406

 

Zum Vormerken:

 

Geschlechter Händel

Ein Wochenende zu Bibel-Musiken des G. F. Händel

Mit Thomas Markus Meier

Freitag, 12. September 18.00 bis Samstag, 13. September 16.00

in der Propstei Wislikofen (info@propstei.ch 056 201 40 40)

 

Bibel Klassiker

Lektüreseminar zu verschiedenen Bibelübersetzungen

u.a. mit Thomas Markus Meier

Freitag, 12. Dezember 18.00 bis Samstag, 13. Dezember 16.00

in der Propstei Wislikofen (info@propstei.ch 056 201 40 40)

 

Der strafende Gott und der Sieg der Liebe

Besinnliche Wochenenden mit Hermann-Josef Venetz.

Das erste von vier Wochenenden findet am 13./14. Sept. statt und steht unter dem Titel: Die Botschaft vom Reich Gottes: Drohbotschaft oder Frohbotschaft? Die Wochenenden beginnen am Sa. um 11.00 und enden am So. gegen 16.00 Uhr. Anmeldungen nimmt das Bildungshaus St.Jodern, Visp entgegen. 027/ 946 74 74 oder stjodern@rhone.ch

 

Bibelausstellung in der Dreikönigskirche in Visp vom 22. Sept - 5.Okt.jeweils von 8.00 Uhr - 22.00 Uhr. Die Bibel entdecken mit allen Sinnen. (Linzer Bibelausstellung) Dazu ein Rahmenprogramm mit Vorträgen, Tänzen, Musik usw.

 

Buch des Monats Februar

Karl-Josef Kuschel, Juden – Christen – Muslime. Herkunft und Zukunft, Patmos Verlag Düsseldorf 2007, 680 S., Euro 29,90 CHF 49,90, ISBN 3-491-72500-3

„Ein mustergültiges Buch zum interreligiösen Gespräch“ nannte Norbert Copray in seiner Besprechung in Publik Forum (19/2007) das Buch von Karl-Josef Kuschel, dem Professor für die Theologie der Kultur und des interreligiösen Dialogs in Tübingen und schloss mit dem Satz: „Es hat das Zeug zu einem Standardwerk“. Der positiven Bewertung des Buches für den interreligiösen „Trialog“ zwischen Juden, Christen und Muslimen schliesse ich mich denn auch gerne an. Ich möchte im Folgenden besonders auf ein zentrales Anliegen des Buches eingehen, nämlich die gegenseitige, „trialogische“ Auslegung der Heiligen Schriften in den drei Buchreligionen (zu den Konsequenzen eines solchen Ansatzes etwa für die theologische Ausbildung vgl. Zitat der Woche 7/2007). Gerade im Blick auf das BPA-Projekt der Lesungsauslegungen in der SKZ, bei dem wir altestamentliche Texte „mit Israel lesen“, entnehme ich dem Buch wesentliche Anregungen und Perspektiven.

Kuschels vernetztes interreligiöses und trialogisches Denken hat drei Grundlagen:
die innere unauflösliche Beziehung der drei Religionen
die Theologie des Anderen nicht nur als „Anders-Gläubigen“, sondern als „Anders-Gläubigen“ (S. 25) und die Orientierung an den Quellen der Religionen

Daraus ergeben sich entscheidende Fragen und Grundhaltungen:
„Was bedeutet das muslimische und jüdische Glaubenszeugnis für mich als Christen und meinen Christusglauben? Was bedeutet das Leben mit der Tora angesichts des christlichen und muslimischen Glaubenszeugnisses? Was bedeutet eine Lebensordnung im Lichte des Korans angesichts der Tatsache, das Christen und Muslime den einen und wahren Gott je anders bezeugen? Grundvoraussetzung für vernetztes Denken ist somit ein Nachdenken darüber, warum Gott für die Menschen diesen und nicht einen anderen Weg gewählt hat. Warum er die Existenz dieser drei Religionen miteinander, gegeneinander, jedenfalls nicht ohneeinander wollte“ (S. 73f)

Mit dem Blick auf die Heiligen Schriften der drei Religionen klärt Kuschel zunächst kurz und prägnant die Voraussetzungen: den unterschiedlichen jüdischen und christlichen Kanon, die Tradition der jüdischen und christlichen Koranlektüre sowie die Art wie der Koran die ihm vorausgehenden Überlieferungen liest.
Den Hauptteil des Buches (S. 114-625) bilden vier thematische Durchgänge durch die Heiligen Schriften. Sie orientieren sich an den grundlegenden Gestalten Adam, Noach, Mose, Maria und Jesus sowie Abraham. Die vier Durchgänge sind mit einer Ausnahme jeweils gleich strukturiert:
In einem ersten Schritt benennt Kuschel, welche menschlichen „Urformen“ oder „Urnormen“ des menschlichen Lebens für ihn in dieser Gestalt zum Ausdruck kommen (Thomas Manns Josephromane stehen hierfür Pate). Ein zweiter Schritt zeigt die Spiegelungen dieser Urstoffe im Koran, daran schliesst sich die Ausarbeitung der jüdischen und schliesslich der christlichen Tradition an. Leitfrage ist hier jeweils: Was hat die jeweilige Religion als spezifisch Eigenes in de Trialog einzubringen? In einem letzten Schritt werden die aktuellen Folgerungen für den Trialog im Kontext der heutigen globalen Welt gezogen. Die Ausnahme von dieser Struktur bildet der Teil über Jesus und Maria. Hier besteht der erste Schritt in einer Darstellung der belasteten Geschichte der jüdisch-christlichen Beziehung und von neueren jüdischen Annäherungen an und Distanzierungen von Jesus (Jacob Neusner).
Am meisten Raum wird in den einzelnen Teilen der koranischen Tradition eingeräumt, einzelne Suren werden im Wortlaut abgedruckt und interpretiert. Die Kapitel über die jüdische Tradition sind sind eher kurz gehalten. Das spezifisch Jüdische an der Mosesgestalt wird stark durch die Auseinandersetzung mit dem Ägyptologen Jan Assmann und dem Literaten Thomas Mann geprägt. Hier hätte ich mir mehr Raum für die rabbinische Auslegungstradition gewünscht. Die ist allerdings in der Auseinandersetzung mit Adam oder Noach gut vertreten. In der Beschäftigung mit Abraham werden die Ansätze von Irving Greenberg („der offene Bund“) und von Abraham Joshua Heschel („Keine Religion ist ein Eiland“) vorgestellt.
In diesem Kontext ist auch die Darstellung des Dokumentes „Dabru emet – Redet Wahrheit“ als positives Zeichen für vernetztes interreligiöses Denken aus jüdischer Perspektive und der berührende persönliche Epilog mit Erfahrungen in Cordoba zu erwähnen. Das Literaturverzeichnis ist exzellent aufbereitet und weiterführend. Genauso hilfreich ist das Personenregister.

Das gesamte Buch von Karl-Josef Kuschel stellt eine grosse Herausforderung dar, die Heiligen Schriften von Judentum, Christentum und Islam gegenseitig, trialogisch zu lesen und auszulegen und ist eine richtungsweisende Begleitung auf diesem Weg. Vielleicht ist die Fortsetzung unserer Auslegungsreihe „mit Israel lesen“ hier schon grundlegend entworfen. Neben der Ausweitung auf die muslimische Tradition, zu der Kuschel anregt und die er mit grosser Kenntnis vollzieht, bedarf es aber einer weiteren Ausweitung: auf Frauengestalten in den Heiligen Schriften und auf die feministischen bzw. genderorientierten Auslegungstraditionen. Kuschels Buch ist sehr männerzentriert ohne dass das näher reflektiert wird.

Peter Zürn