Schweizerisches Katholisches
Bibelwerk
Bibelpastorale Arbeitsstelle
Bederstr. 76 8002 Zürich
Tel.: (0041) +44 205 99 60 Mail: info@bibelwerk.ch
Newsletter 17 / August 2007
Liebe Leserin, lieber Leser,
wir melden uns zurück aus den Ferien, sind ab sofort wieder für Sie
erreichbar und fassen uns ansonsten kurz, denn es gibt auch von Anderen Interessantes
zu vermelden: vom Buch des Monats und vom Zitat der Woche.
Ihr BPA-Team
Dieter Bauer, Bettina Schulze,
Buch des Monats
Ursula Sigg-Suter, Esther
Straub, Angela Wäffler-Boveland, „… und ihr werdet mir Söhne und
Töchter sein.“ Die neue Zürcher Bibel feministisch gelesen, Theologischer
Verlag Zürich 2007, 160 Seiten, 15 x 22,5 cm, Paperback, ISBN 978-3-290-17399-9
CHF 19,80 EUR 12,80
Zwei
starke Gefühle löste die erste Lektüre dieses Buches bei mir aus: Eine riesige
Hochachtung vor der Leistung der Autorinnen und eine tiefe Enttäuschung über
die offenbar geringe Auswirkung dieser Arbeit auf die neue Zürcher
Bibelübersetzung, die gerade erschienen ist. Acht Jahre lang arbeiteten die
drei Autorinnen, als vierte war Katharina Schmocker in den ersten drei Jahren
beteiligt, als offiziell eingesetzte Lesegruppe im Auftrag des Kirchenrats der
evangelisch-reformierten Kirche des Kantons Zürich. Das Ziel ihres Auftrags
bestand in der „Vermeidung übersetzungsbedingter Diskriminierungen in der
neuen Zürcher Bibelübersetzung“. In ihrem Buch legen sie Rechenschaft ab
über „acht Jahre intensiver Arbeit“. Diese Intensität wird auf
jeder der 160 Seiten sichtbar. Das Buch ist ein wahres Kompendium, wo und wie
geschlechtergerechte Sprache in der Übersetzung der Bibel möglich und geboten
ist. Die Bandbreite geht von der Auseinandersetzung mit inklusiver Sprache in
Personenbezeichnungen und in Pronomina über das Sichtbarmachen von Frauenwelten
und das Nicht-Überbewerten von Männerwelten, über hierarchische Beziehungen und
die Sprache der Gewalt, über die Darstellung von Sexualmoral bis hin zu
theologischen Fachbegriffen wie Gnade, Fleisch, Geist, Sünde und Versuchung.
Nicht nur die reine Übersetzung von Bibeltexten kommt in den Blick, sondern
auch die mindestens genauso prägende Formulierung von Überschriften und
Zwischentiteln. Die Auseinandersetzung mit Hunderten einzelner Bibelstellen
wird in übersichtlicher Weise dargestellt: Tabellen mit jeweils drei Spalten
führen links die Bibelstelle an, in der Mitte die Übersetzung der Neuen Zürcher
Bibel (NZB) und in der rechten Spalte den Alternativvorschlag der feministischen
Lesegruppe. Die Tabelle hat nur zwei Spalten, wenn der Text der NZB mit dem
Vorschlag der Lesegruppe übereinstimmt. Ein erstes Blättern zeigt den
enttäuschenden Befund, wie selten sich zweispaltige Tabellen finden. Die
Autorinnen selbst fassen zusammen: „Leider fanden nur sehr wenige unserer
Vorschläge Eingang in die neue Zürcher Bibelübersetzung“ (Vorwort S. 5).
Selbst da, wo durchaus Übereinstimmung besteht, ist die geschlechtergerechte
Übersetzung nicht an allen Stellen durchgeführt. So wird der Vorschlag der
Lesegruppe den Ausdruck „Herr sein“ oder „herrschen“
mit „Macht haben“ zu übersetzen, an drei Stellen im Römerbrief
(6,9; 6,14; 7,1) aufgenommen – der Tod, die Sünde, das Gesetz herrschen
nicht mehr, sondern haben keine Macht mehr – Christus bleibt aber der
Herr über Lebende und Tote (Röm 14,9). Sicher lässt sich über jeden
Übersetzungsvorschlag der Lesegruppe diskutieren und streiten. Die Autorinnen
selbst „rechnen nicht damit, Seite für Seite die Zustimmung der
Leserinnen und Leser zu gewinnen“ (Vorwort S. 5). Sie verstehen ihr Buch
als Anregung zur Diskussion über die feministischen Anliegen an eine
Bibelübersetzung. Ihre herausragende Leistung besteht darin, dass sie es
möglich machen, diese Diskussion in der grösstmöglichen Konkretion zu führen,
direkt am genauen Wortlaut der Übersetzung und mit Blick auf eine Fülle von
Möglichkeiten und Varianten: alle statt jeder, niemand statt keiner, Glanz
statt Herrlichkeit, regieren statt herrschen, Lehrer statt Meister, Unzucht
treiben statt zur Dirne gehen, in die Irre führen statt verführen, Lohn statt
Sold und viele mehr. Die Vorschläge der Lesegruppe sollen Raum öffnen für
weitere Lösungen und sprachschöpferische Ideen. So ist das Buch denn neben dem
Rechenschaftsbericht der Lesegruppe auch ein Nachschlagewerk und eine
Arbeitshilfe zur Auseinandersetzung mit der Bibel und ihrer Übersetzung im
Blick auf Gottesdienste, Bibelgruppen oder das persönliche Studium. Dem dienen
das Bibelstellen- und das Stichwortregister aufs Beste.
Leider umfasst die Darstellung nur das Neue Testament. Etwas unklar bleibt das
Warum: „Aus verschiedenen Gründen ergab sich keine Zusammenarbeit mit der
Übersetzungskommission AT“ – trotz klarem Auftrag des Kirchenrates
(S. 13). Da sich die Autorinnen aber vor allem am deutschen Sprachgebrauch
orientieren, halten sie die Übertragung ihrer Beobachtungen und Resultate auf
das Alte Testament für möglich.
Die Lesegruppe war nicht direkt am Übersetzungsprozess beteiligt. Ihre Arbeit
ist also nicht direkt mit der Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache
vergleichbar. Die Vielfalt von Übersetzungsvorschlägen und Varianten wird aber
auch die Auseinandersetzung mit der Bibel in gerechter Sprache bereichern.
Überaus spannend liest sich der Streit um das, was „Texttreue“ bei
der Übersetzung bedeutet (S. 13f). Die Übersetzungskommissionen der Neuen
Zürcher Bibel waren der Ansicht, eine feministische Übersetzung sei mit
Texttreue nicht vereinbar. Die Autorinnen erkennen die Differenz eher im
unterschiedlichen Verständnis, was textgetreu genau bedeutet. In der Einleitung
verorten sie sich in der innerbiblischen Textauslegung, wie sie Paulus
vornimmt, wenn er sich auf einen Satz aus 2 Sam 7,14 bezieht, den Gott an David
richtet: „Ich werde ihm Vater sein und er wird mir Sohn sein“. Bei
Paulus wird daraus im Blick auf die Gemeinde in Korinth: „… und ihr
werdet mir Söhne und Töchter sein“ (2Kor 6,18). Auf dem Hintergrund von
Paulus’ Verständnis von Texttreue arbeitet die feministische Lesegruppe
zur neuen Zürcher Bibelübersetzung daran, dass die Frauen in der biblischen
Überlieferung nicht vergessen gehen. Peter Zürn
Zitat der Woche
"Seit die Individuation
Zwangsarbeit eines jeden geworden ist, hat sie ihr Individuelles verloren. Sie
gleicht der Aufgabe, bei der Warenauswahl jeweils unter einer Vielzahl von
Marken wählen zu müssen. Dabei ist die Wahl nicht frei von Rahmenbedingungen.
Im postmodernen Supermarkt stehen die teuren Waren noch immer ganz oben im
Regal. Nach ihnen muss man sich recken und strecken und nicht jeder kommt an
sie heran. Die meisten wählen, was auf Augenhöhe gestellt ist - und Bückware,
wenn niemand hinschaut. Neu ist, dass dieser Supermarkt auch Religion führt.
Früher ... gehörte sie nicht zum Angebot ... Heute ist sie einsortiert, in
diesen Genussregalen in einer eigenen Nische, zwischen Süssigkeiten und
Alkohol. Es gibt sie in den unterschiedlichsten Qualitäten und Preisklassen,
wie alles. Manche Markenhersteller wünschen sich eine andere Einsortierung:
Gehört für sie Religion doch zu den Grundnahrungsmitteln, also zu Brot und
Fleisch (?). Andere wiederum möchten sie bei den Zeitschriften sehen oder (in
Touristenorten) in den Ständen der Stadtpläne und Führer, als
Orientierungsmaterial. Einige Feinkostläden und kleinere Fachgeschäfte richten
sich auch nach diesen Herstellerwünschen. Sie bedienen eine spezielle
Kundschaft, die für Religion noch eine Menge auszugeben bereit ist. Aber im
Mainstream liegt das nicht. Religion gilt als Zusatz zu Freizeit und
Wochenende, wie Theater und Museen. Es ist durchaus Prestige fördernd, wenn man
selbst welche im Keller hat. Aber wenn sie zu sehr in den Mittelpunkt rückt,
wenn sich alles um sie zu drehen beginnt, wirkt das bald peinlich, wie
Alkoholismus."
Gregor
Taxacher, Ausweglose Geschichte - Ausgang: Religion? Vom Trauma, das fliehen
lehrt, in: Evangelische Theologie Heft 3 2007, S. 186.