Schweizerisches Katholisches
Bibelwerk
Bibelpastorale Arbeitsstelle
Bederstr. 76 8002 Zürich
Tel.:
(0041) +44 205 99 60 Mail: info@bibelwerk.ch
Newsletter 20 / Oktober 2007
Liebe Leserin, lieber Leser,
heute
möchten wir Sie auf eine ganz neue Dienstleistung hinweisen: unsere Bibelpastorale Datenbank. In den Veröffentlichungen des
Bibelwerks finden Sie einen riesigen Schatz konkreter Bibelarbeiten,
Auslegungen von Bibeltexten, Hintergrundwissen, Hinweise auf Literatur und
Medien und … Mit der Bibelpastoralen Datenbank lassen sich diese Schätze
jetzt heben. Sie finden sie auf unserer Homepage www.bibelwerk.ch in unserem Schwerpunktbereich „Wir beraten und
informieren“.
Ihr BPA-Team
Dieter Bauer, Clelia Bianchetti, Bettina Schulze,
Buch des Monats
Armin Maiwald, Dieter Saldecki, Peter
Brandt, Jesus, Jeschua, Iesous.
Illutrationen von Hauke Koch. Reihe Entdeckungsreisen. Arena Verlag Würzburg
2007, 158 S. CHF 26,90 Euro 14,95. ISBN: 978-3-401-054948-8.
Jeden Sonntag um 11.30 Uhr ertönt bei uns zuhause die unverkennbare
Melodie der „Sendung mit der Maus“ mit ihren Lach-und
Sachgeschichten. Und jeden Sonntag lerne ich dabei etwas über die Welt, in der
ich lebe: Warum das Meer blau ist oder wie die Bleistiftminen in die Bleistifte
kommen oder... Jetzt haben Armin Maiwald, einer der Miterfinder der Maus und
Dieter Saldecki, der 30 Jahre lang an den Sachgeschichten der Sendung
mitgearbeitet und früher einmal Theologie studiert hat, ein Buch über Jesus
geschrieben. Der dritte im Bunde ist der Fotograf und Kameramann Peter Brandt,
der einen Erfahrungsbericht über das Leben in der Wüste beisteuert. Und wieder
lerne ich etwas. Zum Beispiel, dass Jesus Gleichnisse auf die selbe Art
erzählt, wie in der Sendung mit der Maus die Sachgeschichten erzählt werden.
Mit den ersten drei Sätzen bzw. den ersten 30 Sekunden müssen die Zuhörenden
bzw. Zuschauenden so neugierig gemacht werden, dass sie unbedingt mehr erfahren
wollen. Danach kann das Thema weiter entfaltet werden bis zum ersten
„Gipfel“ oder erstaunten Aha! „Anschliessend lässt man den
überraschten Zuhörer bzw. Zuschauer Atem holen – und nimmt ihn dann mit
bis zum zweiten und letzten Höhepunkt des Gleichnisses oder der
Sachgeschichte“ (S. 100f., die Theorie wird aufgezeigt am Gleichnis vom
verlorenen Sohn).
Was mich an diesem Jesusbuch beeindruckt, sind eben die Qualitäten, die
ich auch an der Sendung mit der Maus schätze: an dem anzusetzen, was in der
Lebenswelt von Kindern eben so vorkommt ( „Das Kreuz mit diesem Jesus
dran“), der Neugier zu folgen und direkte Fragen zu stellen („Wie
ist das nun mit Weihnachten?“), komplexe Sachverhalte nachvollziehbar
darzustellen (zum Beispiel die Frage an welchem Tag das letzte Abendmahl
stattfand auf dem Hintergrund des jüdischen Mondkalenders), die Bereitschaft
sich und den Lesenden (ab 10 Jahren) auch Schwieriges zuzumuten und zuzutrauen
(etwas Details über jüdische und römische Prozessordnungen) und die
unverkrampfte, lockere, aber trotzdem verbindliche Sprache („Wie das Kind
zur Jungfrau kam“).
Eigentliche Hauptpersonen des Buches sind die vier Evangelisten
(„die siegreichen Vier“) mit ihren vier unterschiedlichen
Geschichten von Jesus. Ihre unterschiedlichen Zielgruppen und Absichten werden
vorgestellt und immer wieder verglichen. Bei der Rückfrage, was historisch wohl
wirklich passiert ist, werden jeweils verschiedene Möglichkeiten diskutiert und
auf ihre Wahrscheinlichkeit hin bewertet. Das kommt nicht belehrend daher,
sondern lädt zum Selberdenken ein. Entscheidend ist die Wahrnehmung der
Evangelien als „gute Geschichten“.
Das Buch endet mit einem Kapitel über Pfingsten und Auferstehung in
Form einer Predigt. Diese Pfingstpredigt, von Dieter Saldecki 2006 in der evangelischen
Gemeinde Emsdetten gehalten, macht die Position deutlich, aus der heraus das
Buch geschrieben ist. Es ist die Position des „ungläubigen“, besser
des zweifelnden, des kritisch nachfragenden Thomas. Sie ist auch Leitfigur für
die angesprochenen Leserinnen und Leser: „Menschen, die jede Autorität
nachdenklich befragen, bevor sie sich auf ihr Angebot einlassen.
„Ungläubige“, die suchen, weil sie keine ewigen Wahrheiten
besitzen. Brauchen wir nicht gerade sie in unseren Religionen? In jeder Kirche,
in jeder Schule, in jedem Kindergarten? Bei uns! Im Nahen Osten?
Weltweit?!“ (S. 148). Meine Antwort auf diese Fragen ist ein klares JA.
Noch mehr als danach auch noch Raum ist für eine zweite Botschaft in der
Geschichte vom „ungläubigen Thomas“, für ein berührendes Bekenntnis
zur Fähigkeit, der Wahrheit, auch der bittersten ins Auge zu sehen. „Das
Unabänderliche anzunehmen, nur das schafft die Freiheit neu anzufangen.“
(S. 148).
Das Buch ist sehr schön und aufwendig ausgestattet, mit Bildern aus der
Kunstgeschichte, mit Zeichnungen und Karten und mit farbig abgesetzten Kästchen
mit Fakten und Informationen.
Ein besonderes, beinahe bibliodramatisches Element sind 4 Texte in
Ich-Form von David, der von seinem Kampf gegen Goliath erzählt; von Isaak, der
als alter Mann auf den Schrecken zurückblickt als sein Vater ihn beinahe
geopfert hätte; von Josef, der nach der Geburt des dritten Kindes mit Maria
nach Jerusalem zieht, um im Tempel zu opfern; und von Tobias, dem
Zwillingsbruder des Thomas, der nicht wie sein Bruder zum Jünger Jesu wurde.
Streiten kann man sicherlich über die ausführlich dargestellte These
von der Nähe Jesu und seiner Jünger zum bewaffneten Widerstand gegen die Römer,
die sich durch das ganze Buch zieht. Sie wird allerdings überzeugend begründet
und entfaltet, wirkt auf mich aber insgesamt etwas zu dominant und monokausal.
Dadurch geraten auch die Evangelien, die zunächst in ihrer jeweiligen Eigenart
dargestellt und als gute Geschichten gewertet werden, immer mehr in den
Generalverdacht, diesen politischen, antirömischen Jesus verschweigen zu
wollen, um das christliche Leben unter der Herrschaft des römischen Imperiums
nicht zu belasten. Und noch schärfer: die Evangelien werden meiner Ansicht nach
gegen Ende des Buches zu pauschal als antijüdische Schriften gelesen, die statt
der Römer die Juden für den Tod Jesu verantwortlich machen. Da legt das Buch
zurecht den Finger auf die dunklen Seiten der Wirkungsgeschichte, ist aber
meiner Meinung nach nicht auf dem aktuellen Stand der theologischen und exegetischen
Auseinandersetzung – gerade mit Blick auf das Johannesevangelium, dem
wenig Positives abgewonnen wird. Auch beim Vergleich verschiedener
Übersetzungen eines Bibelverses (die erste Seligpreisung) – grundsätzlich
ein begrüssenswertes Element – fehlen leider völlig die aktuellen
Übersetzungen (Bibel in gerechter Sprache, Neue Zürcher Übersetzung bei der die
Evangelienübersetzungen ja schon vor 2007 publiziert waren).
Trotzdem ein sehr empfehlenswertes Buch für Menschen von 10 bis 99.
Zitat der Woche
"Zwischen
dem Erleben einer radikalen Umwälzung und deren Begreifen und Verständnis
besteht aber ganz offensichtlich eine erhebliche zeitliche Verzögerung."
Joschka
Fischer, Die rot-grünen Jahre. Deutsche Aussenpolitik - vom Kosovo bis zum 11.
September, Kiepenheuer&Witsch 2007, S. 9.
Die (Selbst-)Erkenntnis von Joschka
Fischer bezieht sich auf die Zeit nach dem epochalen Umbruch von 1989. Sie ist
durchaus für das Verständnis der Bibel fruchtbar zu machen - etwa mit Blick auf
die Zerstörungen Jerusalems 586 v.u.Z. und 70 n.u.Z. und die Folgen für die
Entstehung der biblischen Schriften.