Liebe Filmfreundinnen und Filmfreunde
Es gibt ihn doch, den Winter. Zwar stapfen wir nicht durch knietiefen
Schnee oder frieren uns ohne Mütze die Ohren ab, aber beim Blick auf
die gezuckerten Bergspitzen lässt sich der Winter zumindest erahnen.
Unser Film des Monats ist perfekt für die kälteren Monate geeignet,
wobei...
Lukas Dhonts «Close» erzählt von einer wunderbar herzerwärmenden
Freundschaft zwischen zwei 13-Jährigen, die - und hier kommt die Kälte
ins Spiel - jäh und mit überaus dramatischen Folgen an den sozialen
Konventionen zerbricht. Wie schon Dhonts Erstling «Girl» ist auch
«Close» aus einer ganz intimen Perspektive erzählt. Die Nähe, die
dadurch entsteht, berührt, erschüttert und führt uns ganz deutlich vor
Augen, welchem gesellschaftlichen Druck bereits Kinder ausgesetzt sind.
Ein filmisches Manifest für Toleranz und eine herzerreissende Ode an die
Freundschaft.
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen nur winterlich-weisse Schneekälte und
viel zwischenmenschliche Wärme,
Sarah Stutte und Natalie Fritz
FILM DES MONATS FEBRUAR
Februar 2023
CLOSE
ALS DIE BEIDEN BESTEN FREUNDE LÉO UND RÉMI IN DIE OBERSTUFE WECHSELN,
IST PLÖTZLICH NICHTS MEHR WIE ZUVOR. LÉO DISTANZIERT SICH IMMER MEHR,
WAS RÉMI FAST DAS HERZ BRICHT. LUKAS DHONT SCHILDERT EINDRINGLICH, WIE
SUBTIL HOMOPHOBIE IN UNSERER GESELLSCHAFT GELEBT WIRD UND WELCHE
SCHRECKLICHEN FOLGEN GESELLSCHAFTLICHER DRUCK AUF DIE NOCH KINDLICHE
PSYCHE HABEN KANN.
Die beiden 13-jährigen Freunde Léo und Rémi sind unzertrennlich und
geniessen ihren letzten Sommer, bevor sie beide in die Oberstufe kommen.
Ausgelassen rennen sie über grosse Blumenfelder und liegen danach
lachend im Gras. Man sieht ihre Verbundenheit auch in Léos bewunderndem
Blick, wenn Rémi Oboe übt oder an ihrer körperlichen Nähe, die zugleich
zärtlich, rein und unschuldig wirkt.
Diese enge Beziehung stellen die beiden Kinder nie in Frage, bis für Léo
und Rémi das neue Schuljahr beginnt und plötzlich einige
Klassenkameraden fragen, ob sie «ein Paar» sind. Irgendetwas an dieser
Frage macht Léo Angst. Er fängt an, eher über Sport als über Musik zu
reden und sich im Hockeyteam zu engagieren. Ausserdem hält er Abstand,
wenn er mit Rémi zusammen ist. Dieser bemerkt die Veränderung seines
besten Freundes und die Entfremdung bricht ihm das Herz.
Der belgische Drehbuchautor und Regisseur Lukas Dhont («Girl», 2018),
schildert in seinem zweiten Spielfilm in ruhigen Bildern und mit
exzellenten Jungdarstellern, wie eine liebevolle Freundschaft an den
gesellschaftlichen Konventionen zerbricht und an den tragischen Folgen,
die diese nach sich ziehen. Dabei lässt er die sozialen Kräfte hier
allgegenwärtig, aber subtil wirken. Kein offenes Mobbing oder
Homophobie, nur verinnerlichter Druck auf die sich noch entwickelnde
Psyche. Die stille Gewissheit, dass in unseren Köpfen oft die
Unterschiede mehr Gewicht haben als die Verbundenheit zueinander, ist
emotional wuchtig und erschreckend.
Sarah Stutte, Filmjournalistin
«Close», BE/FR/NL 2022, Regie: Lukas Dhont, Besetzung: Eden Dambrine,
Gustav De Waele, Igor van Dessel, Verleih: Filmcoopi, www.filmcoopi.ch
Kinostart: 2. Februar 2023
https://www.youtube.com/watch?time_continue=4&v=m57q9sjtrfYhttps://www.medientipp.ch/events/close/
Liebe Filmfreundinnen und Filmfreunde
Neues Jahr, neue Problemli...
Unser Mailing-Listen-System wurde umgestellt und als ich heute den "Film
des Monats" versenden wollte, habe ich wohl versehentlich ein falsches
Knöpfli gedrückt.
Ausser Sie melden sich direkt bei uns auf der Medientipp-Redaktion,
erhalten Sie weiterhin den Film des Monats zugestellt.
Wir bitten Sie für die Verwirrung um Entschuldigung und wünschen Ihnen
einen schönen Abend
Sarah Stutte udn Natalie Fritz, Redaktion Medientipp
Liebe Filmfreundinnen und Filmfreunde
Wir wünschen Ihnen allen ein gutes neues Jahr mit viel Energie
(psychisch und buchstäblich), guter Gesundheit, Licht und Hoffnung.
Viel Licht und Hoffnung braucht die Welt wohl auch 2023 ... Die
aktuellen Vorfälle in Brasilien geben zu denken, in der Ukraine gehen
die Kämpfe weiter und in Afghanistan und Iran spitzt sich die Lage
zunehmend zu. Manchmal wünschte man sich einen «Rewind»-Schalter, der
uns erlaubte, zurückzuspulen, um den Lauf der Dinge in der Vergangenheit
zu beeinflussen. Doch würden sich solche Eingriffe wirklich positiv auf
die Gegenwart auswirken? Zumindest literarische und filmische
Gedankenspiele zum Thema legen nahe, dass «gut gemeint» nicht zwingend
auch einen «guten Ausgang» bedeutet.
Unser Film des Monats rückt die Lage der Frauen im Iran ins Zentrum. Ein
zu wichtiges Problem, als dass wir es ob der schieren Newsflut einfach
vergessen dürften. «Holy Spider» basiert auf realen Mordfällen, die
Anfang der 2000er Jahre von einem selbsternannten Schützer der Tugend
verübt wurden.
Ali Abbasis Film ist eine schonungslose Abrechnung mit einem
theokratischen, patriarchalischen Staatssystem, das seine Intoleranz -
etwa gegenüber Frauen - durch den Verweis auf die «einzig richtige»
Auslegung des Korans legitimiert.
Keine leichte Filmkost - aber eine wichtige Geschichte!
Mit den besten Grüssen für 2023
Sarah Stutte und Natalie Fritz
FILM DES MONATS
Januar 2023
HOLY SPIDER
IM NAMEN DER RELIGION ERMORDET EIN BAUARBEITER ANFANG 2000 IN DER
HEILIGEN IRANISCHEN STADT MASCHHAD 16 PROSTITUIERTE. EINE JOURNALISTIN
HEFTET SICH AN SEINE FERSEN. «HOLY SPIDER» ZEIGT IN ERSCHRECKENDER WEISE
AUF, WIE DAS LAND UNTER DEM GEWICHT EINES THEOKRATISCH-AUTORITÄREN
STAATES VERROHT.
Eine junge Frau bindet sich ihr Kopftuch um, gibt ihrer Tochter einen
Gute-Nacht-Kuss und sagt ihr, dass sie bald wieder zurück ist. Dann
entschwindet sie in die Nacht. Sie gilt als unreine, gottlose Frau.
Eine, die ihren Körper auf der Strasse verkauft. Wir folgen ihr durch
die Stadt und die Gassen zu den Freiern, die sie wie Abschaum behandeln.
Von einem von ihnen wird sie kurz darauf in einem Treppenhaus ermordet.
Ihr Kind wird am nächsten Tag allein aufwachen.
«Holy Spider» erzählt von der wahren Mordserie Saeed Hanaeis, auch
bekannt als «Spider Killer». Angetrieben von dem Bestreben, seine
Umgebung von Unmoral zu säubern, brachte der Bauarbeiter zwischen 2000
und 2001 in der heiligen iranischen Stadt Maschhad 16 Prostituierte um.
Der iranische Filmemacher Ali Abbasi («Gräns», 2018), der seit Jahren in
Dänemark lebt, stellt die realen Geschehnisse in einen grösseren
Kontext. Dieser zeigt in erschreckender Weise auf, wie die iranische
Gesellschaft unter dem Gewicht eines theokratisch-autoritären Staates
verroht und die Misogynie ungehindert gedeihen kann.
Das bekommt auch die fiktive Journalistin Rashimi zu spüren, als sie
versucht, den Spinnenmörder aufzuspüren. Die örtlichen Behörden weichen
ihren Fragen aus, während sie ihr mit Herablassung und Verachtung
begegnen. In den letzten Minuten des Films untermauert Abbasi seine
These. Die Welt wird nicht zu einem besseren Ort, solange
Frauenfeindlichkeit ein unendlich-vererbter Albtraum ist, der weit über
die Taten eines einzelnen Mannes hinausgeht.
Sarah Stutte, Filmjournalistin und Redaktorin Medientipp
«Holy Spider», DK/DE/SE/FR 2022, Regie: Ali Abbasi, Besetzung: Zar Amir
Ebrahimi, Mehdi Bajestani, Arash Ashtiani, Verleih: Xenix Film,
www.xenixfilm.ch
Kinostart: 12. Januar 2023
https://www.medientipp.ch/events/holy-spider/