Liebe Filmfreundinnen und Filmfreunde
Wann ist ein Priester ein Priester? Wenn er geweiht ist, wäre eine naheliegende Antwort.
Die Debatte um die Missbräuche in der katholischen Kirche und das Gerangel im Verhältnis
zwischen Priester und Laien hat gezeigt, dass die Weihe nicht zwingend einen guten
Priester macht und dass ein mancher Laie das Charisma eines Priesters hätte. Berufung –
Charisma – Weihe. Um diese Themen dreht sich der Film «Corpus Christi» von Jan Komasa.
Kompromisslos testet der Regisseur diese Begriffe an der Figur des jugendlichen
Straftäters Daniel. Es ist ein fulminantes Gedankenexperiment. Der Protagonist Bartosz
Bielenia Ist eine Wucht. Er spielt den unkorrumpierbaren, tief gläubigen
Möchtegern-Priester so überzeugend, dass man ihm das Weihe-Sakrament grad selber spenden
möchte.
Herzlich,
Eva Meienberg und Natalie Fritz
Film des Monats September
September 2020
Corpus Christi
Der eindringliche Spielfilm «Corpus Christi» des polnischen Regisseurs Jan Komasa wirft
Fragen nach der priesterlichen Weihe, Berufung und Charisma auf und zeigt auf, wie sich
Wahrheit und Vergebung manifestieren könnten
Daniel sitzt in der Jugendstrafanstalt. Sein einziges Vorbild, im von Gewalt geprägten
Anstaltsleben, ist Pfarrer Thomas. Wie er, will auch Daniel Pfarrer werden, was unmöglich
ist, weil Daniel getötet hat. Nach der Entlassung soll sich Daniel in einer Sägerei zur
Arbeit melden. Schon auf der Busfahrt wird klar, sein Leben wird sich nicht ändern. «Ich
erkenne den Abschaum sofort», sagt der Polizist und hält ihm die Dienstmarke unter die
Nase.
Daniel sucht Trost in der Kirche. Im Angesicht eines gekreuzigten Jesus, fühlt er sich
berufen, sein Leben in die eigenen Hände zu nehmen. Daniel stellt sich als Pfarrer Thomas
vor. Traumatisiert durch einen schrecklichen Unfall brauchen die Gemeindemitglieder genau
einen wie ihn. Daniel kann ihnen helfen, weil er ist, wer er ist. Tief gläubig,
empathisch, ohne Angst vor den menschlichen Abgründen, unkorrumpierbar mit einer starken
persönlichen Beziehung zu Gott. Er vertröstet die Gemeinde nicht auf das Jenseits wie der
alte Pfarrer, der heimlich seinen Kummer im Alkohol ersäuft.
Der Film des polnischen Regisseurs Jan Komasa testet das klerikale System. Er wirft die
Frage nach der priesterlichen Weihe auf und verknüpft sie mit der Frage nach Berufung und
Charisma. Die christliche Lehre von Schuld und Vergebung wird wörtlich genommen und wenn
Daniel den Corpus Christi in der Monstranz durch das Dorf trägt, wird die Prozession zur
Demonstration. Wahrheit, Echtheit, Liebe und Vergebung –für alle! Ein starker Film.
Eva Meienberg, Redaktorin Medientipp
«Corpus Christi» («Boże Ciało»), Polen/Frankreich 2019, Regie: Jan Komasa, Besetzung:
Bartosz Bielenia, Eliza Rycembel, Aleksandra Konieczna, Verleih: Xenix Filmdistribution
GmbH, Internet:
http://www.xenixfilm.ch/de/index.php, Filmwebsite:
http://www.xenixfilm.ch/de/film_info.php?ID=11981
Kinostart: 3. September 2020
https://vimeo.com/390684244
https://www.medientipp.ch/events/corpus-christi/