Schon die ersten Minuten des Dokumentarfilms von Anastasia Mikova und Yann Arthus-Bertrand sind hochemotional. Die mexikanische Triathletin Norma Bastidas erzählt unter Tränen, dass sie Wüsten durchquert und einen Weltrekord aufgestellt hätte, doch niemals solche Angst empfand, wie in dem Moment, als sie öffentlich zugab, sexuelle Gewalt und Menschenhandel erlebt zu haben. «Gewalt verbreitet sich im Schweigen. Wir haben eine Stimme, nur will uns niemand hören», sagt sie. Die Journalistin Mikova und der Fotograf Bertrand wollten zuhören.
Für ihren Film befragten sie 2'000 Frauen in 50 Ländern. Nicht nur zu Themen wie erlebte Gewalt, Missbrauch, Zwangsheirat und Beschneidung, auch zu Sexualität, Kindern, dem Älterwerden, Bildung und finanzieller Unabhängigkeit. Entstanden ist ein Kaleidoskop aus Momentaufnahmen, das traurige, witzige und sehr ehrliche, intime Einblicke in verschiedene Lebensrealitäten gibt. In einer Szene zeigen sich einige der Frauen nackt, mit Narben von Brustamputationen und Körpern, die von Säureangriffen gezeichnet sind. Das setzt viel Vertrauen in die Filmemacher und die ausnahmslos weiblichen Interviewerinnen voraus, die während zwei Jahren die langen Gespräche mit den verschiedenen Frauen führten und daraus die Essenz herausfilterten.
Fast zwei Stunden ist man davon ausnahmslos bewegt und von der visuellen Kraft der Bilder gleichermassen beeindruckt. «Woman» ist eine Demonstration innerer Stärke und zollt den Frauen den Respekt, den sie verdienen.
Sarah Stutte, Filmjournalistin
«Woman», Frankreich 2019, Regie: Anastasia Mikova, Yann Arthus-Bertrand, Verleih: JMH Distributions, www.jmhsa.ch, Filmhomepage: http://www.woman-themovie.org/en/
Kinostart: 6. Juni 2020