Ein Vater geht mit seinem Sohn in einem Supermarkt auf Diebestour. Auf dem Heimweg entdecken sie auf einem ebenerdigen Balkon die kleine Yuri, die offenbar ausgesperrt und allein gelassen wurde. Da es bitterkalt ist, nehmen Vater Osamu und Sohn Shota das Mädchen mit zu sich, wo schon der Rest der Familie wartet: Osamus Frau Noboyu, deren Halbschwester Aki sowie Grossmutter Hatsue. Später wollen die Eltern das Kind wieder zurückbringen, doch am Haus angekommen, hören sie wie die Mutter, offenbar in einem Streit mit ihrem Freund, bekräftigt, das Mädchen gar nicht gewollt zu haben. Zudem entdecken sie Verbrennungsmale am Körper der Kleinen und nehmen sie deshalb kurzerhand wieder mit. Fortan lebt Yuri inmitten dieser Schicksalsgemeinschaft fremder Menschen, die allein von rechtmässiger Arbeit nicht überleben können. Sie geben ihr die Zuneigung, die sie bisher vermisste.
Hirokazu Kore-eda ist hier die präzise Momentaufnahme einer von Arbeit beseelten japanischen Gesellschaft gelungen, die die Menschen am Rand derselben vergisst. In seiner berührenden Geschichte hinterfragt er aber auch den Wert der Familie und die Vorstellung dessen, was diese ausmacht. Am Ende, wenn alle urteilen, weiss man als Zuschauer viel mehr, nämlich, dass die Grautöne im Leben das Spiel bestimmen. Das ist der grosse Gewinn dieses Films, dass wir unsere eigenen moralischen Grenzen hinterfragen, weshalb er dieses Jahr zu Recht mit der Goldenen Palme in Cannes ausgezeichnet wurde.
Sarah Stutte, Filmjournalistin
«Shoplifters», Japan 2018, Regie: Hirokazu Kore-eda, Besetzung: Lily Franky, Sakura Ando, Kairi Jō, Verleih: cineworx, www.cineworx.ch; Homepage: https://www.shopliftersfilm.com/
Kinostart: 13. Dezember 2018
https://vimeo.com/296646630