Liebe Filmfreundinnen und Filmfreunde
«Alles neu macht der Mai, macht die Seele frisch und frei...» - so
heisst es zumindest in Hermann Adam von Kamps berühmten Gedicht. Der
Frühling erweckt alles zu neuem Leben, spendet Saft und Kraft und
vertreibt düstere Gedanken. In «Wet Sand», unserem Film des Monats, ist
der Suizid eines Dorfbewohners - der Tod also - der Beginn eines
Neuanfangs. Plötzlich brechen verkrustete Lügengebilde auf, tritt die
Wahrheit ans Licht und endlich können die Menschen frei reden und
fühlen. Insofern passt der Film bestens in die Frühlingszeit, macht er
doch deutlich, dass ein Neubeginn fast immer möglich ist. Oder wie es
bei Kamp heisst: «Waldespracht, neu gemacht nach des Winters Nacht.»
Einen hoffnungsvollen Frühlingsanfang wünschen Ihnen
Eva Meienberg und Natalie Fritz
FILM DES MONATS MAI
Mai 2022
WET SAND
IN EINEM DORF AM SCHWARZEN MEER BRINGT EIN SELBSTMORD ALTE, GUT GEHÜTETE
GEHEIMNISSE ANS LICHT UND EIN NETZ VON LÜGEN WIRD SICHTBAR.
Die Wellen, die den Sand am Ufer des Schwarzen Meeres nässen, bedecken
und wieder freigeben, eröffnen und beschliessen den Film. Vielleicht ein
Symbol dafür, wie tabuisierte Tiefendimensionen eines gesellschaftlichen
Systems aufgrund einer unerwarteten Situation an die Oberfläche kommen.
«Wet Sand», so heisst ein Strand-Café irgendwo an der Küste Georgiens.
Hier leben Menschen, die ihre eigenen Regeln definieren - und damit
schlimmstenfalls andere, die diesen nicht entsprechen, in den Tod
treiben. Amnon, der Besitzer des Cafés, darf nicht zeigen, was in ihm
vorgeht. Eliko, der Elegante, von der Dorfgemeinschaft nie Akzeptierte,
begeht Suizid. Bewegung in die gefühlskalte und sprachlose
Dorfgemeinschaft bringt Moe, die städtisch geprägte Enkelin Elikos. Dem
Häuten einer Zwiebel gleich entfaltet der Film, was in diesem Dorf über
Jahre und Jahrzehnte im Geheimen ablief. Er thematisiert das Recht auf
Liebe und das Recht zu trauern - in Verbindung mit welcher sexuellen
Orientierung auch immer.
Die georgisch-schweizerische Regisseurin Elene Naveriani (*1985) hat
einen berührenden Film geschaffen, der neben der Charakterisierung der
Persönlichkeiten durch beeindruckende Farbkomposition und Ästhetik der
Kameraführung (Aufnahmen gerinnen zeitweise fast zu Fotos) überzeugt.
Hermann Kocher, Vizepräsident Interfilm Schweiz
«WET SAND», Schweiz/Georgien 2021; Regie: Elene Naveriani;
DarstellerInnen: Gia Agumava, Eka Chavleishvili, Zaal Goguadze; Verleih:
Sister Distribution, Genève [1]
Kinostart 5. Mai 2022
https://youtu.be/u0xezpunt94
https://www.medientipp.ch/events/wet-sand/
Links:
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[1]
https://sister-distribution.ch