Liebe Filmfreundinnen und Filmfreunde
Unser Film des Monats Oktober ist keine leicht verdauliche Kost, sondern liegt – wie eine
herbstliche Metzgete – relativ schwer auf. Michael Haneke seziert in «Happy End» unsere
digitalisierte Gesellschaft, in der zwar alle mit allen kommunizieren, aber doch «blind»
und «taub» für die Bedürfnisse der Mitmenschen bleiben. Ein wichtiger Film, der grossartig
gespielt ist, verstört und zum Nachdenken darüber anregt, was wirklich wichtig ist.
Mit herbstlichen Grüssen
Natalie Fritz
Redaktorin Medientipp
Film des Monats
Oktober 2017
Happy End
Michael Haneke erzählt auf schmerzhaft-eindringliche Weise von der hedonistischen
Ichbezogenheit der bürgerlichen Gesellschaft und ihrem gefährlichen Desinteresse an dem,
was in der «kleinen» und «grossen» Welt um sie herum passiert
Das Ende des Hamsters wird per Smartphone-Kamera festgehalten und in Form eines
Whatsapp-Chats trocken kommentiert. Auch den Selbstmordversuch des Grossvaters
dokumentiert die dreizehnjährige Eve mit dem Mobiltelefon. Eine unmenschliche, eine kalte
Welt ist es, die Michael Haneke dem Publikum präsentiert. In «Happy End» zerbröckelt die
polierte Oberfläche einer gutbürgerlichen Industriellenfamilie, weil zu viel
Geheimniskrämerei betrieben wird und zu viel Desinteresse vorherrscht. Vor allem aber
mangelt es an zwischenmenschlicher Kommunikation.
Teenie-Mädchen Eve hat zuerst ihren Hamster und danach ihre nervende Mutter mit
Antidepressiva vergiftet. Ihr Vater, der mit einer neuen Familie auf dem grossbürgerlichen
Familiensitz lebt, nimmt sie zu sich, hat aber kein grosses Interesse an ihr. Auch die
Tante verhält sich distanziert. Ihren eigenen, alkoholkranken Sohn vernachlässigt sie. Der
greise Grossvater, der sich als Gefangener bezeichnet, versucht immer wieder, sich selbst
zu töten – allerdings ohne Erfolg. Eine dysfunktionale Familie par excellence: denn,
obwohl alle miteinander via digitaler Medien kommunizieren, wird nicht geredet. Haneke
unterstreicht dieses Paradoxon, indem er ein grosses Manko dieser Kommunikationsmittel
verdeutlicht: zu einem wirklichen Austausch braucht es ein Gegenüber, das zuhört, mitdenkt
und sich vor allem einfühlt. «Happy End» ist eine erschütternde Gesellschaftskritik, die
lange nachhallt.
Natalie Fritz, Religionswissenschaftlerin und Redaktorin Medientipp
«Happy End», Frankreich/Österreich/Deutschland, 2017, Regie: Michael Haneke; Besetzung:
Isabelle Huppert, Mathieu Kassovitz, Jean-Louis Trintignant; Verleih: Filmcoopi Zürich,
Internet:
www.filmcoopi.ch <http://www.filmcoopi.ch> ; Filmseite:
http://www.filmcoopi.ch/filmreel-Happy%20End-de_CH.html
Kinostart: 12.10.2017
https://www.youtube.com/watch?v=PU1cNL-FM8I
https://www.medientipp.ch/events/happy-end/