Liebe Filmfreundinnen_und Filmfreunde

Es ist eine Wonne – obwohl noch nicht Mai – sich im noch jungen Jahr im Kinosessel zu fläzen und die vielen guten Schweizer Produktionen auf der Leinwand zu geniessen; fiktionale und dokumentarische. Auffällig ist, dass es häufig um starke Frauenfiguren und ihre Familien geht: Neben Kaspar Kasics beeindruckendem Portät der schillernden US-amerikanischen Feministin Erica Jong, brillierten in Ursula Meiers "La Ligne" Stéphanie Blanchoud und Valeria Bruni-Tedeschi als ambivalentes Mutter-Tochter-Gespann oder klärte uns die Journalistin Rachel M'Bon in "Je suis noires" über strukturellen Rassismus gegenüber schwarzen Schweizerinnen auf.

Mit "Foudre" hat die Genfer Regisseurin Carmen Jaquier nicht nur den Filmpreis der Zürcher Kirchen am ZFF 2022 gewonnen, sondern auch im März zwei Preise beim Schweizer Filmpreis abgeräumt. Und dies zu Recht, wie unsere Filmexpertin Sarah Stutte meint.
Unser Film des Monats April erzählt die Geschichte weiblicher Emanzipation und Selbstfindung, die man im gezeigten Milieu – einem Walliser Tal um 1900 – mit seinen starren Konventionen und voll patriarchaler Selbstgerechtigkeit kaum für möglich halten würde.
"Foudre" ist ein bildgewaltiges, beinahe mystisches Werk, das Körper und Geist aufs Schönste verbindet.

Wir freuen uns bereits jetzt auf einen starken Schweizer Kinofrühsommer!

Herzlich grüssend,
Sarah Stutte und Natalie Fritz


Film des Monats April

April2023

Foudre


Die 17-jährige Elisabeth steht im Sommer 1900 kurz davor, ihr Gelübde im Kloster abzulegen. Dann stirbt Elisabeths Schwester und sie muss zurück zu ihrer Familie in ein Walliser Tal. Daheim entdeckt Elisabeth unerwartete Seiten ihrer verstorbenen Schwester. In «Foudre» erzählt die Genfer Regisseurin Carmen Jaquier mit überwältigenden Bildern eine weibliche Emanzipationsgeschichte.

Die 17-jährige Elisabeth (eindringlich: Lilith Grasmug) steht im Sommer 1900 kurz davor, ihr Gelübde im Kloster abzulegen. Als ihre Schwester Innocente unerwartet stirbt, muss die Novizin jedoch auf den Familienhof in einem Walliser Tal zurückkehren, um in der Landwirtschaft zu helfen.

Zurück im Tal sucht Elisabeth nach der Wahrheit in Bezug auf die Todesumstände ihrer Schwester. Doch die Eltern schweigen und bleiben so Antworten schuldig. Dann findet Elisabeth jedoch Tagebucheinträge von Innocente. Aus ihnen wird klar, dass ihre Schwester im Ausleben ihrer Sexualität eine tiefe Verbindung zu Gott suchte. Das wurde in der konservativen Dorfgemeinschaft nicht gutgeheissen.

Das Spielfilmdebüt der Genfer Regisseurin Carmen Jaquier fängt die Rastlosigkeit einer jungen Frau ein, die mit ihren widersprüchlichen Gefühlen in Bezug auf ihren Glauben und ihr Bedürfnis nach Zuneigung kämpft. In visuell berauschenden Bildern wird damit die Geschichte von weiblicher Emanzipation inmitten erdrückender Gesellschaftsnormen erzählt.

«Foudre» wirkt zeitlos und doch sehr modern und ist dabei von einer tiefen Mystik durchdrungen, die unweigerlich die Verse von Teresa von Ávila ins Gedächtnis ruft. Ein kraftvoller Film voller Aufrichtigkeit, der eine ländliche Welt zeigt, in der die Menschen mit Ängsten und Konventionen ringen, wenn es um die eigene Identität geht. Damit macht «Foudre» bewusst, dass sich ein tiefer Glaube und der Drang nach Freiheit nicht ausschliessen.

Sarah Stutte, Filmjournalistin

«Foudre», Schweiz 2022; Regie: Carmen Jaquier; ProtagonistInnen: Lilith Grasmug, Sabine Timoteo, Mermoz Melchior; Verleih: Sister Distribution; Homepage: www.sister-distribution.ch

Ab 13. April im Kino

https://www.medientipp.ch/events/foudre/