Liebe Filmfreundinnen und *Filmfreunde

Obwohl bei der Weihnachtsgeschichte ein freudiges Ereignis – eine Geburt – im Zentrum steht, so wissen doch die meisten, dass diesem Kind kein langes Leben bestimmt ist. In einigen Maria-Kind-Darstellungen, so legen Kunsthistoriker*innen nahe, kann man Mariens Wissen um den frühen Tod des Sohnes in ihrem Blick und ihrer Haltung erahnen. So verbinden sich in besagten Darstellungen innigste Liebe mit einer prospektiven Melancholie.

Ganz ähnlich funktioniert das in unserem Film des Monats Dezember. In «Tótem» ist ein baldiger Abschied ebenfalls unausweichlich, das wissen alle. Denn der Vater der siebenjährigen Sol liegt im Sterben. Jede Bewegung, jeder Satz verursachen ihm, dem krebszerfressenen jungen Tona, höllische Schmerzen. Dennoch will seine Familie Tona ein letztes wunderbares Geburtstagsfest organisieren. Aus der Perspektive der kleinen Sol werden die hektischen Vorbereitungen, die langsam zerrinnende Zeit, das Warten auf den Beginn des Festes (und den Tod) sowie die latente Nervosität aller Beteiligten gezeigt. Die Mexikanerin Lila Avilés präsentiert eine herzzerreissende Familiengeschichte über Liebe, Tod, Abschiednehmen und Hoffnung, die durch die filmische Gestaltung sehr intim und gleichzeitig universal wirkt.

«Tótem» hat an der diesjährigen Berlinale den Preis der Ökumenischen Jury erhalten, https://www.inter-film.org/de/festivals/berlinale-internationale-filmfestspiele-berlin/73-internationale-filmfestspiele-berlin

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen eine hoffnungsvolle Adventszeit, frohe Weihnachtsfeiertage und einen gten Rutsch ins neue Jahr!


Sarah Stutte und Natalie Fritz


Film des Monats Dezember

Dezember2023

Tótem

 

Sols Vater Tona liegt im Sterben. Seine Familie organisiert eine letzte Geburtstagsparty für ihn. Lila Avilés Familiendrama fängt den Schmerz des Abschiednehmens genauso ein wie die Kraft, die die Liebe in solchen Momenten spendet.

Sols Vater Tona ist todkrank. Und obwohl sich die Siebenjährige aus ganzem Herzen wünscht, er möge gesund werden, glaubt sie wohl selbst nicht daran. Immer wieder verliert sich ihr Blick oder sie verkriecht sich in einem Winkel des grossväterlichen Hauses, um dem Trubel zu entgehen. Denn hier wird heute Abend gefeiert: die Schwestern von Sols Papa organisieren für ihn die wohl letzte Geburtstagsparty. Wobei das Fest den Erwachsenen vor allem dazu dient, sich nicht mit dem nahenden Tod des geliebten Tona auseinandersetzen zu müssen. Dieser wiederum versucht, alle noch verbliebenen Kräfte für diesen Abend zu mobilisieren. Er möchte Familie und Freunde nicht enttäuschen.

Lila Avilés hat dieses Familiendrama über das Abschiednehmen als ein unkonventionelles Kammerspiel inszeniert. Die Beziehungen zwischen den einzelnen Familienmitgliedern offenbaren sich in ihren Handlungen und im Umgang mit der Krankheit. Während die eine Schwester den Schmerz mit Alkohol und Hyperaktivität betäubt, treibt die andere böse Geister aus. Der Vater hegt einen Bonsai.

Alles dreht sich um den sterbenden Tona, der sich als «grosser Abwesender» in seinem abgeschlossenen Zimmer vorbereitet. Er ist die Person, die die Familie zusammenhält, das titelgebende Totem dieser Gemeinschaft. An seiner Party verbinden sich Liebe, Angst und Hoffnung. Avilés fängt den schmerzhaften Prozess des Abschiednehmens in poetischen Bildern ein und verleiht so der bisweilen quälenden Natur der Dinge eine beinahe magische Qualität.

«Tótem» hat an der diesjährigen Berlinale im Internationalen Wettbewerb den Preis der Ökumenischen Jury gewonnen, https://www.inter-film.org/de/festivals/berlinale-internationale-filmfestspiele-berlin/73-internationale-filmfestspiele-berlin

Natalie Fritz, Religionswissenschaftlerin und Redaktorin Medientipp

«Tótem» Mexico 2023; Regie: Lila Avilés; ProtagonistInnen: Naíma Sentíes, Mateo Garcia Elizondo, Monserrat Marañon; Verleih: Trigon; Webseite: https://trigon-film.org ; Filmseite: https://trigon-film.org/de/filme/totem/

Ab 7. Dezember 2023 im Kino