Liebe Filmfreundinnen und *Filmfreunde

Fate, destino, déstin, Schicksal... Der Duden definiert Schicksal folgendermassen: "Von einer höheren Macht über jemanden Verhängtes, ohne sichtliches menschliches Zutun sich Ereignendes, was jemandes Leben entscheidend bestimmt." Dieser vorläufig letzte Film des Monats hat in zweierlei Hinsicht mit dem Begriff Schicksal zu tun.

Einerseits legen wir Ihnen die Visionierung des Schweizer Dokumentarfilms "Prisoners of Fate" (Gefangene des Schicksals) wärmstens an Herz. Mehdi Sahebi fand seine Protagonist*innen in einem Schweizer Asylzentrum und begleitete sie über Jahre hinweg durch ihren mühsamen, bisweilen absurden Alltag in der "Warteschlaufe". Ein Alltag, der geprägt ist von Behördendeutsch, Unsicherheit und Sehnsucht. Sahebi kommt dabei den Protagonist*innen ganz nah, wahrscheinlich auch deshalb, weil er 1983 selbst aus dem Iran geflohe war. Sahebi weiss, wie schwer es ist, sich in einer neuen Umgebung und mit verschiedenen Traumata im Gepäck zurechtzufinden. "Prisoners of Fate" zeigt uns keine anonymen Asylbewerber*innen, sondern Menschen, die für eine bessere Zukunft alles aufs Spiel gesetzt haben.

Andererseits verabschieden wir uns – zumindest vorläufig – von Ihnen, geschätzte Leser*innen. Das Schicksal – beziehungsweise eine "höhere Macht" – zwingt uns momentan dazu, die Filmarbeit für den Filmtipp/kath.ch einzustellen. Der Wert der Kultur und des Kulturschaffens wird vielen erst dann bewusst, wenn sie fehlen... 

Wir aber lieben den Film und die Kutur auch weiterhin und werden in der einen oder anderen Form versuchen, auch weiterhin eine humanistisch geprägte Filmkritik anzubieten. Wir halten sie auf dem Laufenden, denn wie erklärte bereits Novalis: "Schicksal und sich schicken scheinen mir nicht ohne Bedeutung nahe verwandt. Wie wir uns schicken, so ist unser Schicksal".

Herzliche Grüsse


Sarah Stutte, Eva Meienberg und Natalie Fritz


Film des Monats März

März 2024


Prisoners of Fate (Gefangene des Schicksals)

 

Afghanische und iranische Flüchtlinge erzählen in einem Asylzentrum von ihrem Alltag in der Schweiz. Der Regisseur Mehdi Sahebi flüchtete selbst als 20-Jähriger aus dem Iran in die Schweiz. Dadurch ist eine ganz besondere Nähe zu seinen Protagonist:innen entstanden, die auch in uns Verständnis und Empathie weckt. 

Eine afghanische Mutter telefoniert mit ihrem kleinen Sohn. Dieser fragt, wann sie ihn endlich hole. «Ich warte schon so lange», sagt er. Die Mutter weint. Auf der dramatischen Flucht aus dem Iran wurde der damals Sechsjährige entdeckt und musste zurückbleiben. Die Eltern haben es mit ihrer kleinen Tochter in die Schweiz geschafft und hier Asyl beantragt. Seitdem kämpfen sie um einen Familiennachzug.

Im selben Asylzentrum ist auch Mahmad untergebracht, der seine Tränen irgendwann auch nicht mehr zurückhalten kann. Er ist ein iranischer Kriegsveteran, den seine traumatische Vergangenheit nicht loslässt. «Ich kann nicht vergessen. Der Krieg hat sich tief in meinen Kopf eingegraben. Er frisst mich lebendig auf», erzählt er seinem Freund. Trotzdem ist er davon überzeugt, dass jeder Mensch alles erreichen kann, was er will. Wenn das Schicksal es so vorherbestimmt hat.

Der Schweizer Regisseur Mehdi Sahebi begleitete für seinen Film mehrere iranische und afghanische Flüchtlinge über Jahre. Dadurch ist eine ganz besondere Nähe zu seinen Protagonist:innen entstanden. Sahebi flüchtete selbst 1983 aus dem Iran in die Schweiz und kann deshalb deren innerliche Zerrissenheit nachvollziehen. Eine ältere afghanische Frau sagt im Film: «Ich habe nicht ein einziges Jahr meines Lebens in Frieden gelebt». Das stimmt nachdenklich und dankbar über unsere Privilegien und weckt Mitgefühl für Menschen, die entwurzelt wurden und doch immer die Hoffnung auf ein besseres Leben mit sich tragen.

Sarah Stutte, Filmjournalistin

«Prisoners of Fate (Gefangene des Schicksals)» Schweiz 2023; Regie: Mehdi Sahebi; ProtagonistInnen: Mojtaba Seyedi, Omid Jafari, Sanam Hosseini; Verleih: Cineworx; Homepage: www.cineworx.ch; Filmseite:  https://www.prisoners-of-fate.com/

Ab 14. März im Kino