Eine junge Frau bindet sich ihr Kopftuch um, gibt ihrer Tochter einen Gute-Nacht-Kuss und sagt ihr, dass sie bald wieder zurück ist. Dann entschwindet sie in die Nacht. Sie gilt als unreine, gottlose Frau. Eine, die ihren Körper auf der Strasse verkauft. Wir folgen ihr durch die Stadt und die Gassen zu den Freiern, die sie wie Abschaum behandeln. Von einem von ihnen wird sie kurz darauf in einem Treppenhaus ermordet. Ihr Kind wird am nächsten Tag allein aufwachen.
«Holy Spider» erzählt von der wahren Mordserie Saeed Hanaeis, auch bekannt als «Spider Killer». Angetrieben von dem Bestreben, seine Umgebung von Unmoral zu säubern, brachte der Bauarbeiter zwischen 2000 und 2001 in der heiligen iranischen Stadt Maschhad 16 Prostituierte um.
Der iranische Filmemacher Ali Abbasi («Gräns», 2018), der seit Jahren in Dänemark lebt, stellt die realen Geschehnisse in einen grösseren Kontext. Dieser zeigt in erschreckender Weise auf, wie die iranische Gesellschaft unter dem Gewicht eines theokratisch-autoritären Staates verroht und die Misogynie ungehindert gedeihen kann.
Das bekommt auch die fiktive Journalistin Rashimi zu spüren, als sie versucht, den Spinnenmörder aufzuspüren. Die örtlichen Behörden weichen ihren Fragen aus, während sie ihr mit Herablassung und Verachtung begegnen. In den letzten Minuten des Films untermauert Abbasi seine These. Die Welt wird nicht zu einem besseren Ort, solange Frauenfeindlichkeit ein unendlich-vererbter Albtraum ist, der weit über die Taten eines einzelnen Mannes hinausgeht.
Sarah Stutte, Filmjournalistin und Redaktorin Medientipp
«Holy Spider», DK/DE/SE/FR 2022, Regie: Ali Abbasi, Besetzung: Zar Amir Ebrahimi, Mehdi Bajestani, Arash Ashtiani, Verleih: Xenix Film, www.xenixfilm.ch
Kinostart: 12. Januar 2023