Liebe Filmfreundinnen und Filmfreunde

Überall wird momentan geerntet: tiefgelbe Quitten, rotbackige Äpfel und der letzte Zuckermais wird vom Feld zu den Konsumierenden gebracht. In «Alcarràs», unserem Film des Monats Oktober, geht es ebenfalls um Landwirtschaft – im Spannungsverhältnis zwischen Tradition und Moderne. Was passiert mit dem Land und den Menschen, die es bestellen, wenn sich Landwirtschaft nicht länger lohnt? Wie müsste eine Landwirtschaft sein, damit sie nachhaltig wäre für die Natur und ihre Betreibenden?

Carla Simón hat sich diesen Fragen in ihrem Spielfilm auf einer sehr intimen Ebene angenähert, indem sie das Schicksal einer Bauernfamilie exemplarisch verhandelt. Landwirtschaft ist schliesslich immer auch Familienwirtschaft. Geprägt von ihrer eigenen Familiengeschichte, gelingt es der Katalanin, aufzuzeigen, inwiefern Landwirtschaft auch Verwurzelung bedeutet und welche Hingabe in dieser Arbeit steckt.

Vielleicht denken wir daran, wenn wir das nächste Mal in einen saftigen Apfel beissen oder uns einen grossen Schluck «Suuser» genehmigen.

Herzlich-herbstliche Grüsse

Eva Meienberg und Natalie Fritz


Film des Monats Oktober

Oktober 2022

Alcarràs – Die letzte Ernte

Solaranlage oder Pfirsichfelder? Bauernfamilie Solé in der katalonischen Stadt Alcarràs steht vor der Zwangsräumung, die neuen Besitzer der Pfirsichplantage wollen das Land profitorientiert umnutzen. Wo sollen sie hin? Wovon leben? Carla Simóns Spielfilm wirft einen kritischen Blick auf Spaniens Landwirtschaft

Pfirsichbäume oder Solaranlagen? Über diese Frage sind sich nicht einmal die Mitglieder der Familie Solé in der katalonischen Stadt Alcarràs einig. Seit Generationen lebt sie von der Ernte ihrer Pfirsichplantage. Doch nachdem der Besitzer des Anwesens gestorben ist, will dessen Erbe das Land verkaufen. Die Pfirsichbäume sollen Solaranlagen weichen.

Für die Solés steht eine Zwangsräumung an. Es scheint als würde damit die Familienidylle, die zu Beginn des Films vorherrscht, Schritt für Schritt zerbrechen. Der Grossvater lebt in der Vergangenheit, der Vater verharrt stur im Jetzt und absolviert die letzte Ernte, als würde im letzten Moment doch noch ein Wunder geschehen. Die jüngeren Kinder verstehen die Veränderungen nicht und die pubertierenden Jugendlichen suchen den Weg in die Moderne.

Eine wirkliche Lösung für das Problem der Umnutzung von Landwirtschaftsland gibt es nicht. Einerseits benötigt die Bevölkerung Energie, und das Geschäft mit Solaranlagen scheint sich zu lohnen. Anderseits zeigt der Film, dass Landwirtschaft Schwerstarbeit ist, die nicht angemessen entlöhnt wird. Die Landwirte müssen neben ihren körperlichen Leistungen die Belastung von Existenznöten aushalten.

Die wunderbaren Landschaftsbilder und die dokumentarischen Anteile des Films sind dessen Stärke. Das Publikum lernt hier eine Familie kennen, die es so geben könnte und die exemplarisch für viele Bauern in Spanien steht.

 Alcarràs gewann 2022 an der Berlinale den Goldenen Bären.

Ingrid Glatz, Pfarrerin und Co-Präsidentin Interfilm Schweiz

«Alcarràs», Spanien 2022, Regie: Carla Simón; Darsteller*innen: Jordi Pujol Dolcet, Anna Otin, Xènia Roset; Verleih: Cineworx; Filmwebseite: https://cineworx.ch/movie/alcarras/

Im Kino ab 29. September 2022

https://vimeo.com/731625132?embedded=true&source=vimeo_logo&owner=2068148

https://www.medientipp.ch/events/alcarras-die-letzte-ernte/