Missbrauchsverdacht: Reformierte Landeskirche Aargau entbindet Pfarrer von
Amtspflichten
SCHWEIZ
Die Reformierte Landeskirche Aargau hat einen Gemeindepfarrer, der sich
vor Gericht wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs verantworten muss
(siehe RNA vom 31. Mai), vorläufig von seinen Amtspflichten entbunden.
Weitere Entscheide fällt die Landeskirche, wenn das Gerichtsurteil
vorliegt.
sda/comm.
Das eingeleitete Disziplinarverfahren gegen den Pfarrer sage nichts
darüber aus, ob die Vorwürfe berechtigt seien oder nicht, teilte die
Reformierte Landeskirche Aargau in einer Stellungnahme am Dienstag mit. In
ähnlichen Fällen eröffne der Kirchenrat grundsätzlich ein solches
Verfahren. Gleichzeitig gelte aber die Unschuldsvermutung für den
Angeklagten. Wenn das Bezirksgericht Zofingen die Anklagepunkte beurteilt
hat, wird der Kirchenrat auf der Grundlage des Gerichtsurteils die
Auswirkungen auf die pfarramtliche Tätigkeit und die entsprechende
definitive Disziplinarmassnahme oder die Einstellung des Verfahrens
beraten.
Der Betroffene hatte gemäss Landeskirche vor zwei Jahren die Kirchenpflege
der Gemeinde über die Situation informiert. Eine seiner mittlerweile
erwachsenen Töchter habe ihn sexueller Übergriffe beschuldigt. Er habe die
Anschuldigungen als haltlos bezeichnet.
Die Kirchenpflege sei immer im Bild gewesen und habe die Vorwürfe ernst
genommen, hält die Aargauer Kirche fest. Aus der Kirchgemeinde selbst, in
welcher der Pfarrer seit drei Jahren arbeite, habe es keinerlei Hinweise
gegeben, die in eine ähnliche Richtung gedeutet hätten. Die Kirchenpflege
sei aufgrund der vorliegenden Informationen und der guten Amtsführung zur
Überzeugung gekommen, dem Pfarrer ihr Vertrauen auszusprechen. Sie sei
ihrer Pflicht nachgekommen, indem sie beim Umgang des Pfarrers mit
Jugendlichen vorsorglich weitgehende Auflagen erlassen habe. Der Prozess
findet Mitte Juni vor Bezirksgericht Zofingen AG statt.
In Fällen, in denen schwerwiegende und begründete Vorwürfe im Bereich
sexueller Übergriffe gegen eine Pfarrerin oder einen Pfarrer erhoben
werden, eröffnet der Kirchenrat grundsätzlich ein Disziplinarverfahren
gegen den betroffenen Pfarrer oder die Pfarrerin und suspendiert ihn oder
sie vom Dienst, bis die Vorwürfe abgeklärt sind. Gleichzeitig gilt aber
auch die Unschuldsvermutung für den Angeschuldigten. Bis zum Abschluss der
gerichtlichen Abklärungen geht der Kirchenrat von zwei verschiedenen
Möglichkeiten aus: dass die Vorwürfe berechtig sind, aber auch dass sie als
nicht berechtigt beurteilt werden. Deshalb beachtet der Kirchenrat den
Persönlichkeitsschutz der betroffenen Personen, um Vorverurteilungen zu
vermeiden. Gleichzeitig informiert er die Öffentlichkeit so transparent wie
möglich, und er leitet ein Disziplinarverfahren gegen die betroffene Person
ein. Der Kirchenrat wird nach dem Gerichtsurteil Mitte Juni weiter
informieren.