Nationalist im Gewand eines Patriarchen
WELT
Das Oberhaupt der serbisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Pavle, ist
95-jährig nach schwerer Krankheit am Sonntag in einem Belgrader Spital
gestorben. Der umstrittene Patriarch war seit zwei Jahren in Behandlung in
der Belgrader Militärklinik.
RNA/sda
Pavle war 1990 kurz vor dem Zerfall Jugoslawiens Oberhaupt der
serbisch-orthodoxen Kirche geworden, der die meisten der gut sieben
Millionen Einwohner Serbiens angehören. Damit erlebte er auch die Kriege
auf dem Balkan als Patriarch mit. Unter seiner Führung erlangte die
serbisch-orthodoxe Kirche eine führende Position im Land. So wurde etwa an
serbischen Schulen nach Jahrzehnten der Religionsunterricht wieder
eingeführt.
Anfang der 90er-Jahre unterstützte die serbisch-orthodoxe Kirche unter
Pavle serbische Nationalisten in Kroatien und Bosnien und sah sich immer
wieder auch mit Vorwürfen konfrontiert, mutmassliche serbische
Kriegsverbrecher zu schützen. So soll sie etwa dem früheren bosnischen
Serbenführer Radovan Karadzic, der sich derzeit vor dem UNO-Tribunal in Den
Haag verantworten muss, während seines jahrelangen Versteckspiels
Unterschlupf gewährt haben.
Vor seiner Amtszeit als 44. Oberhaupt der serbisch-orthodoxen Kirche war
Pavle Bischof im Kosovo. Auch nach dem Ende des Kosovo-Kriegs im Jahr 1999
reiste Pavle mehrmals in die damals noch serbische Provinz, um dortigen
Bischöfen und der verbliebenen serbischen Minderheit seine Unterstützung zu
signalisieren.
Die Kirche spielte auch eine massgebliche Rolle bei den Bemühungen
Belgrads, die Unabhängigkeitsbestrebungen des Kosovo zu unterbinden. Als
sich das Kosovo im Februar 2008 für unabhängig erklärte, erkannte die
Kirche den Schritt folglich nicht an.