Frankreich: Vermummungsverbot für Burka-Trägerinnen
WELT
Höchstens 2000 Frauen tragen in Frankreich die Burka – nicht viele für ein
Land, in dem mit über fünf Millionen Menschen die grösste muslimische
Gemeinde Europas zuhause ist. Dennoch will nicht nur die konservative
Regierung den muslimischen Ganzkörperschleier verbieten.
RNA/sda
Nach sechs Monaten Beratungen sprach sich am Dienstag auch ein
Parlamentsausschuss für einen Burka-Bann in Behörden und staatlichen
Einrichtungen aus. Über Reichweite und Weg zum Verbot wird aber weiter
heftig gestritten. Die parteiübergreifend besetzte Kommission schlägt ein
doppeltes Vorgehen vor: «Ganz Frankreich sagt Nein zur Vollverschleierung
und verlangt, dass diese Praxis auf dem Gebiet der Republik verboten wird»,
soll es in einer Parlamentsresolution heissen. Diese wäre aber rechtlich
unverbindlich. Deshalb soll ein Gesetz daneben jegliche Form der Vermummung
in Bereichen unter staatlicher Kontrolle untersagen – ein Kniff, um das
Burka-Verbot nicht als Diskriminierung von Muslimen erscheinen zu lassen
und rechtlich angreifbar zu machen.
Bussgelder will die Kommission nicht, Burka-Trägerinnen soll aber der
Zugang zu staatlichen Dienstleistungen verweigert werden. Auch öffentliche
Verkehrsmittel wären tabu. Bei einer strikten Anwendung könnten sie nicht
einmal mehr einen Brief am Postschalter aufgeben oder ihre Kinder in einer
kommunalen Tagesstätte abgeben. Und öffentliche Spital müssten ihnen die
Behandlung verweigern. Damit würde Frankreich deutlich weiter als im Jahr
2004 gehen. Damals hatte es nach einer langen «Kopftuch»-Debatte das Tragen
auffälliger religiöser Zeichen in den staatlichen Schulen verboten.
In praktisch allen Parteien weckt die Burka heute Befürchtungen einer
schleichenden Radikalisierung des Islam und wird einhellig als Zeichen der
Unterwerfung der Frau gegeisselt. Viele Linke – wie auch die offiziellen
Vertreter der Muslime – halten aber ein Gesetz für unnötig. Bei Sarkozys
Konservativen wiederum stand das Votum bis zur letzten Minute auf der
Kippe, weil die Empfehlungen mehreren Abgeordneten nicht weit genug gingen.
Tatsächlich sprechen sich nach Umfragen zwischen 56 und 65 Prozent der
Franzosen für einen Burka-Bann auch auf offener Strasse aus. Doch dort
stösst ein Vermummungsverbot womöglich an rechtliche Grenzen und könnte von
den Verfassungshütern gekippt werden.
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