Diakoniekonferenz SEK: Armut macht krank
SCHWEIZ
Armut und Krankheit seien ein Teufelskreis, der sich durch die aktuelle
Entwicklung des Schweizer Gesundheitssystems noch verschärfen könnte, so
die Diakoniekonferenz des SEK am 10. November in Bern. Die
Gesundheitskompetenz gelte es zu fördern.
RNA
Armut macht krank. Mit dieser These setzte sich gestern die
Diakoniekonferenz des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes SEK
auseinander, wie es in einer Medienmitteilung heisst. Die Delegierten der
Mitgliedkirchen sowie der diakonischen Einrichtungen in der Schweiz
debattierten dazu in Bern mit verschiedenen Fachpersonen.
«Armut und Krankheit sind ein Teufelskreis» belegte Martine Kurth,
Geschäftsführerin der Konferenz für Sozialhilfe Westschweiz und Tessin
ARTIAS, anhand verschiedener Studien. So sei die Sterblichkeitsrate armer
junger Männer unter 18 in Kanada dreimal höher als die reicher. Junge
Frauen in Armut werden dort - mit siebzehnfach höherer Wahrscheinlichkeit -
mit weniger als zwanzig Jahren bereits Mutter. Eine Studie der Universität
Genf zeigte, dass 2005 in Genf die Sterblichkeitsrate an Prostatakrebs bei
armen Männern doppelt so hoch lag wie bei wohlhabenden.
«Durch die aktuelle Verschärfung des Gesundheitssystems können die
Schwierigkeiten noch zunehmen», so Kurth. Die 2006 in der Schweiz
eingeführte Möglichkeit für die Versicherungen, Leistungen bei
zahlungsunfähigen Patienten einzubehalten, sei erst vor einem Monat durch
den Nationalrat wieder rückgängig gemacht worden. In der Zwischenzeit
wurden 150000 Personen durch eine Streichung der Leistungsrückerstattung
getroffen.
Thomas Abel, Professor am Institut für Sozial- und Präventivmedizin der
Universität Bern, erläuterte einige statistische Zusammenhänge zwischen
Armut und Gesundheit. Die subjektive Einschätzung der Gesundheit sei bei
Spitzenverdienern mehr als siebenmal so gut wie bei Geringverdienenden.
Genau so sei die Wahrscheinlichkeit für chronische Erkrankungen bei gut
verdienenden deutlich geringer als bei schlecht verdienenden.
Gesundheit, so Abel, hänge von mehreren Faktoren ab. Dazu zählen neben dem
Einkommen auch die Wohnbedingungen, Werte, Normen und Wissen sowie Fähig-
und Fertigkeiten. Je nach Zugang zu vermittelnden Personen und Instanzen,
je nach Ressourcen also, ergäben sich weniger oder mehr «Handlungsoptionen
des Gesundheitsverhaltens». Gesundheitskompetenz, betonte Abel, sei die
Fähigkeit, «so zu entscheiden und zu handeln, dass es für mich und meine
Umwelt gesund ist».
Diese Kompetenz müsse gefördert werden. Das könnte unter anderem durch
Sprachkurse für Migranten, aber auch schon durch allgemeine Lernziele in
der Schule erreicht werden. Auch Kurth präzisierte ihre Forderungen: Der
Staat müsse für alle solche Lebensbedingungen schaffen, die eine aktive
Teilhabe am Leben ermöglichten.
Show replies by date