Schweizer Muslime nehmen zum ersten Mal Stellung
SCHWEIZ
Schweizer Muslime wehren sich dagegen, "Zielscheibe von Populisten"
zu sein. Deswegen haben die muslimischen Dachorganisationen der Schweiz
zum
ersten Mal überhaupt vor den Medien zur Anti-Minarett-Initiative Stellung
genommen.
RNA/sda
Dabei ging es der Koordination Islamischer Organisationen Schweiz (KIOS)
und
der Föderation Islamischer Dachorganisationen in der Schweiz (FIDS) darum,
"unsere besonnene Zurückhaltung" im Abstimmungskampf zu erklären, wie
KIOS-
Präsident Farhad Afshar am Donnerstag in Bern sagte.
"Die Kampagne der Initianten hat versucht, die Muslime zu provozieren",
hielt
Afshar fest. Um zu vermeiden, dass die islamische Religion und Kultur als
"Kanonenfutter für Populisten" herhalten müsse, hätten sich die Muslime
bisher
ruhig verhalten, sagte Hisham Maizar, FIDS-Präsident.
Die Diskussion um die Vorurteile wollten die Schweizer Muslime vermeiden,
denn
in Wirklichkeit gehe es bei der Anti-Minarett-Initiative um viel mehr: Das
Volksbegehren rüttle an der Religionsfreiheit, erklärte Afshar, der auch
dem
Schweizerischen Rat der Religionen angehört.
Die Initiative gehe deshalb nicht nur Muslime etwas an, sondern die ganze
Schweiz, sagte Maizar. Und zu dieser zählten sich die Muslime auch,
betonten
die Vertreter der Dachorganisationen immer wieder.
"Als Teil der Gesellschaft respektieren wir alle demokratischen Prozesse
in der
Schweiz", sagte Maizar. Es bestehe überhaupt keine Tendenz, islamisches
Recht
in der Schweiz einzuführen, stellte er klar. Auch hätten Muslime nie
gefordert,
das Schweizer Recht abzuändern.
Nun wollten ausgerechnet die Initianten das Schweizer Recht so verändern,
um
eine diskriminierende Ausnahmen zu machen, sagte Adel Mejri, Vertreter der
Union der Genfer Muslime (UOMG). Zudem verletze die Initiative Grundrechte
der
Verfassung wie die Religionsfreiheit und sie verstosse gegen das
Völkerrecht.
Als Schweizer Bürgerin hoffe sie, dass die Mitbürger zu den liberalen
Grundwerten der Schweiz stünden und einem Ausnahmeartikel in der
Bundesverfassung eine Absage erteilten, sagte Rifa'at Lenzin, Co-Leiterin
des
Zürcher Lehrhauses Judentum - Christentum - Islam.
Neben Vorurteilen sehe sich die muslimische Gemeinschaft, die 4,2 Prozent
der
Schweizer Bevölkerung ausmacht, immer wieder mit Äusserungen von
muslimischen
Staatsoberhäuptern oder Geschehnissen in Ländern wie Afghanistan
konfrontiert,
hielten die Redner fest.
Dabei hätten Muslime in der Schweiz, die zum grössten Teil aus der Türkei
oder
dem Balkan stammten, nichts mit Afghanistan oder Pakistan zu tun. Auch die
Burkas zur vollständigen Verschleierung des Körpers der Frau gebe es hier
praktisch gar nicht, sagte Lenzin. Mit einer aktuellen Ausnahme: Auf den
Plakaten der Initianten komme eine Frau mit Burka vor.
Wird die Anti-Minarett-Initiative am 29. November vom Schweizer Stimmvolk
abgelehnt, so dürfte eine "Invasion der Minarette" ausbleiben: Einerseits
praktizierten bloss 10 Prozent der Schweizer Muslime ihren Glauben. Zudem
seien
momentan nur zwei Anträge für islamische Kulturzentren hängig, in Wil SG
und in
der Romandie, sagte FIDS-Präsident Maizar.
Ob die Muslime für diese Zentren Minarette vorsehen, sei ebenfalls noch
nicht
entschieden. "Für mich wäre es viel wichtiger, einmal ein würdiges
Gebetshaus
in einer grösseren Stadt zu haben", hielt Maizar fest. Die Minarett-Frage
sei
dabei zweitrangig.
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