Belgien: Burka-Verbot ohne Gegenstimme gutgeheissen
WELT
Das belgische Parlament hat am Donnerstag als erstes in Europa ein
Burka-Verbot lanciert. Über das Thema wird auch in anderen europäischen
Ländern diskutiert. Gemäss Amnesty International verletzt das
Verschleierungs-Verbot grundlegende Rechte.
RNA/sda/ai
Als erstes europäisches Land hat Belgien ein Burka-Verbot lanciert. Das
Parlament in Brüssel sprach sich am Donnerstagabend ohne Gegenstimmen gegen
das Tragen von Ganzkörperschleiern in der Öffentlichkeit aus. Das Gesetz
muss noch vom Senat bestätigt werden. Der Entscheidungsprozess dürfte sich
auch wegen der aktuellen Regierungskrise in die Länge ziehen. Die
Befürworter des Verbots argumentieren mit den Rechten der Frau und Gefahren
für die öffentliche Sicherheit. Das Gesetz erfasst Kleidungsstücke, die das
Gesicht verhüllen, also neben der Burka mit einem Gitternetz etwa auch den
Nikab mit einem Sehschlitz. Wer gegen das Verbot verstösst, muss künftig
mit einer Geldbusse von bis zu 250 Euro oder sogar einer Woche Gefängnis
rechnen. Ein liberaler Parlamentarier unterstrich, dass sich das Verbot
nicht gegen den Islam im Allgemeinen richte. Derzeit trügen nur wenige
Frauen in Belgien einen Ganzkörperschleier.
In Frankreich soll ein gesetzliches Verbot der Vollverschleierung noch vor
der Sommerpause ins Parlament. Mit dem Gesetz will die Regierung jegliche
Vermummung im öffentlichen Raum verbieten. Eine Resolution soll begleitend
klarstellen, dass Burka und Nikab in Frankreich nicht erwünscht sind, wo
mit über fünf Millionen Menschen die grösste muslimische Gemeinde Europas
lebt. Mehrere Gesetzentwürfe für ein Verbot der Vollverschleierung sind in
den Niederlanden in Vorbereitung. Die geplanten Verbote betreffen unter
anderem Schulen und den öffentlichen Dienst.
In Österreich erklärte der sozialdemokratische Bundeskanzler Werner
Faymann jüngst, er könne sich ein Burka-Verbot vorstellen. Die
mitregierende konservative ÖVP plädiert aber zunächst für eine breite
Debatte. Das rechtspopulistische Partei Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ)
will demnächst einen Gesetzentwurf für ein Burka-Verbot ins
Abgeordnetenhaus bringen. In Dänemark kündigte die rechtsliberale Regierung
Ende Januar an, die Verschleierung zu «bekämpfen». Kopenhagen verzichtet
zwar auf ein Gesetz, setzt aber darauf, dass Schulen, Behörden und Firmen
so scharf wie möglich gegen die Vollverschleierung vorgehen. In Italien
untersagen Regelungen zum «Schutz der öffentlichen Ordnung» seit 1975, sich
in öffentlichen Einrichtungen zu vermummen - ganz gleich ob mit einem
Schleier oder einem Motorradhelm. Die mitregierende rechtspopulistische
Lega Nord brachte 2009 einen Gesetzentwurf ein, der eine Strafe von maximal
2000 Euro vorsieht, wenn Menschen aus religiösen Gründen ihr Gesicht
unkenntlich machen.
Auch in der Schweiz ist die Forderung nach einem Burka-Verbot vereinzelt
laut geworden. Der Bundesrat stellte jedoch Ende Februar klar, dass er kein
Verbot der Vollverschleierung will. In der Schweiz gebe es nur wenige
Frauen, die einen Ganzkörperschleier trügen, argumentierte er. Zudem
ermögliche ein komplett verschleiertes Gesicht diesen Frauen, sich in der
Öffentlichkeit zu bewegen. Ohne Schleier würde sie bloss zuhause
weggeschlossen.
Gemäss Amnesty International verletzt das Verschleierungs-Verbot
grundlegende Rechte. Ein generelles Verbot beschneidet die freie
Meinungsäusserung sowie die Religionsausübung von Frauen, die freiwillig
einen Schleier oder eine Burka tragen. Der Staat hat aber die Pflicht dafür
sorgen, dass keine Frau von der Familie oder anderen Personen dazu
gezwungen wird, sich zu verschleiern. Amnesty International fordert die
Schweizer Politikerinnen und Politiker auf, keine Gesetzte zu erlassen, die
das Tragen von Schleiern verbieten und so die Grundrechte von Frauen
verletzen.
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