Weg-Wort vom 17.März 2009
Licht
Das alles aber wird offenbar, wenn's vom Licht aufgedeckt wird;
denn alles, was offenbar wird, das ist Licht. (Epheser 5 13 14)
Über seine Probleme möchte der junge Mann mit mir reden; aussprechen, was
ihn bedrückt. Seine Schwierigkeiten werden immer mehr und sie blockieren die
Lebensenergie. Dunkle Gedanken treiben sich in ihm um. Er versteht sich als
Opfer von Umständen, die sein junges Leben bestimmten. Trost und
Verständnis für seine Situation finde er bei Therapeutinnen. Aber seine Lage
verbessere sich nicht, erzählt er traurig. Keine der Damen gebe ihm den
erlösenden Rat.
Der junge Mann steckt in seiner Opferrolle fest. Damit ist er eins geworden
und weiss viel über sich zu sagen. Da ist er mit sich wohl vertraut.
Aber hat Gott ihn wirklich zum Opfer bestimmt? Das darf man bezweifeln. Gott
will nicht, dass ein Mensch sein Leben erleidet. Darum gibt er uns allen
immer wieder Hinweise, damit wir mehr über uns selber erfahren. Jeder Mensch
lebt verschiedenste Rollen zugleich. Wenn man sich nur als Opfer sieht, auf
Ablehnung stösst, oder in Schwierigkeiten gerät, hilft es, genau hinzusehen.
Es kann sein, dass man sich selber im Wege steht.
Gott versucht durch Situationen oder durch Mitmenschen unsere Aufmerksamkeit
auf unsere Probleme zu lenken. Sind diese einmal ins Licht unseres
Bewusstseins gerückt, dann können wir nach der Ursache suchen und Lösungen
entwerfen.
Damit das gelingt, muss man sich selber beobachten. Die Einsichten, die wir
dadurch gewinnen, sind die Wegweiser, die uns ins Licht führen. Dann sehen
wir, wo wir falsch liegen und können etwas dagegen tun.
Dort, wo man Klarheit über sich gewinnt, kann man beginnen, etwas zu
verändern. Dann bestimmt man selber, was mit einem geschieht. Es sind die
kleinen bewussten Schritte, die uns aus dem Dunkel ins Licht führen. Das
befreit aus der Opferhaltung. Gott will uns in das Leben im Licht lenken.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Beat Schlauri
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Weg-Wort vom 16. März
Schlüssel
Die meisten von uns haben wohl immer einen Schlüssel bei sich, den Haus-
oder Wohnungs¬schlüssel oder gar einen ganzen Schlüsselbund. Was wäre unser
Leben ohne Schlüssel? Wie hilflos sind wir schon gewesen, wenn wir sie
verlegt oder verloren haben! Wie viel Zeit haben wir schon bei der Suche
nach unseren Schlüsseln verloren?
Wir brauchen nicht nur Schlüssel, um durch verschlossene Türen zu gelangen.
Im übertragenen Sinn brauchen wir auch Schlüssel, um Menschen
aufzuschliessen, die mit uns leben oder uns begegnen. Es sind manchmal ganz
kleine Schlüssel, die Herzenstüren öffnen können mit behutsamer, zärtlicher
Hand. Grobe Hände ohne Fingerspitzengefühl können so einen Schlüssel gar
nicht richtig fassen.
Welche Schlüssel gebrauche ich, um verschlossene Gesichter und Herzen zu
öffnen? Den Schlüssel des Geldes, der Macht und Autorität? Mit dem Schlüssel
des Geldes öffnet sich fast jede Tür nur nicht die Tür zum Vertrauen. Als
Christinnen und Christen sollten wir andere Schlüssel in der Tasche haben.
Manche versuchen es mit Blumen. Das ist kein schlechter Schlüssel, denn
Blumen zeigen Aufmerksamkeit und machen Freude. Wann habe ich zum letzten
Mal Blumen mitgebracht den Eltern, dem Ehepartner, der Schwiegermutter?
Die Liebe ist der Universalschlüssel, der zu allen Türen passt. Schon ein
kleiner Schlüssel kann zentnerschwere Türen öffnen. Und denken wir daran,
was der kleine Zündschlüssel im Auto für eine Energie in Bewegung setzt!
Für wen bin ich selber ein Schlüssel? Habe ich die Kraft, einen Menschen
aufzuschliessen, der verkrampft, verbittert ist? Sehe ich mich als Werkzeug,
als Schlüssel in der Hand Gottes, der mich dazu berufen hat, Menschen
aufzuschliessen für das Vertrauen, für den Glauben, für das kirchliche
Leben? Vielleicht werde ich dadurch für einen anderen Menschen zur
Schlüsselfigur.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Weg-Wort vom 12. März 2009
Ich habe keinen Menschen.
Das sagt der seit 38 Jahren gelähmte Mann zu Jesus, als er ihn fragt, ob er
gesund werden wolle (Joh 5,1-9). Ich habe keinen Menschen. Ich bin allein.
Ich bin einsam - das ist die Erfahrung vieler Menschen gerade in unserer
Zeit.
In seinem Buch Der dreifache Weg schreibt Henri Nouwen: Die Einsamkeit
ist heutzutage eine der geläufigsten Ursachen menschlichen Leidens. Nach
Aussage von Psychiatern und Psychotherapeuten ist sie das Leiden, über das
die Patienten am häufigsten klagen. Sie ist nicht nur die eigentliche
Ursache einer steigenden Selbstmordkurve, sondern auch des
Alkoholmissbrauchs, des Drogenkonsums, etlicher psycho¬somatischer Symptome
wie Kopfschmerzen, Magenbeschwerden und Schmerzen in der
Lendenwirbelgegend und einer grossen Zahl von Verkehrsunfällen. In einer
Welt, in der man versucht, die Ellenbogentaktik mit einer Zivilisation in
Einklang zu bringen, in der Miteinander und Gemeinschaft als erstrebenswerte
Ideale gelten, geraten gerade Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senioren
immer mehr in die Gefahr, von der Seuche der Einsamkeit befallen zu werden
(S.18).
Alleinsein kann auch wohltuend und heilsam sein, sicher, wenn ein Mensch
sich freiwillig in die Einsamkeit begibt, sich eine Zeitlang zurückzieht, in
die Stille geht. Belastend empfindet das Alleinsein, wer keine Kontakte zu
anderen hat, wer sich selbst isoliert oder von anderen isoliert wird.
Menschen können selber ihre Einsamkeit verursachen, auch Schuld kann einsam
machen.
Jesus sieht den Mann, der Hilfe braucht, geht auf ihn zu, spricht ihn an. So
gibt er dem Kranken Mut, von sich zu sprechen. Endlich kann er es laut
sagen: Ich habe keinen Menschen. Keinen, der mir ins heilende Wasser hilft,
keinen, der mir Hoffnung macht und meine Hoffnung mitträgt. Die Leute
übersehen mich. Sie denken nur an sich und ihre eigenen Probleme. Jesus
aber wendet sich dem Kranken zu und zeigt ihm damit, dass er ihm nicht
gleichgültig ist. Er richtet ihn auf, damit er aufrecht gehen kann.
Es kommt darauf an, dass wir einem Menschen das Bewusstsein geben: Du
zählst, auch wenn du krank oder alt bist oder wenn du scheiterst. Wie
kann ich für andere da sein? Für wen will ich heute konkret da sein?
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Weg-Wort vom 11. März 2009
Niemand von uns kann sagen, durch wie viele Türen wir in unserem Leben schon
hindurchgegangen sind. Auch nicht, wie viele Türen wir auf- und zugemacht
haben. Türen verbinden die Räume miteinander, sie gewähren Einlass. Türen
trennen aber auch und schliessen ab. Türen gehören zu unserem Alltag.
Manche Türen tragen eine Aufschrift. Namenschilder geben Auskunft, wer
hinter der Haustür wohnt oder im Büro arbeitet. Hinweise wie "Achtung
Hochspannung" beim Elektrizitätswerk oder "Bitte eintreten" beim
Sprechzimmer des Arztes bestimmen unser Verhalten.
So sollten wir vielleicht einmal einen Augenblick darüber nachdenken: Welche
Bedeutung haben die verschiedenen Türen in meinem Leben? Und: Wie gebrauche
ich diese Türen? Es ist nämlich etwas Seltsames mit unseren Türen. An der
Art und Weise wie jemand mit der Tür umgeht, kann man erkennen, wie er oder
sie zu seinen oder ihren Mitmenschen steht: Ob wir ihnen die Tür öffnen und
sie hereinbitten oder draussen stehen lassen. Wenn man jemandem die Tür vor
der Nase zuschlägt, so heisst das: Mit dir bin ich fertig, du bleibst mir
draussen, dich lasse ich nicht zu mir herein, mit dir will ich nichts mehr
zu tun haben.
Wie oft schlagen wir doch einander die Türen zu, buchstäblich und im
übertragenen Sinn! Eine zugeschlagene Tür ist das Zeichen unserer
Unversöhnlichkeit.Gott handelt anders. Gott schlägt nie die Tür hinter einem
Menschen zu, mag er ihn noch so beleidigt haben, mag er ihm noch so weit
davongelaufen sein. Gottes Tür bleibt immer einen Spalt weit offen. Wir
brauchen nur einzutreten. Ja, seine Barmherzigkeit wartet geradezu darauf,
den Heimkehrenden in die Arme zu schliessen, wie es Jesus im Gleichnis vom
verlorenen Sohn schildert.
Barmherzigkeit heisst, jemandem die Tür öffnen, noch bevor er angeklopft
hat. Wer wartet wohl heute vor meiner Tür?
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Weg-Wort vom 10. März 2009
Haben Sie in letzter Zeit einmal Angst gehabt? Wovor oder vor wem? Erinnern
Sie sich an besonders angstvolle Situationen in Ihrem Leben als Kind, als
Jugendliche oder als Erwachsene? Heute ist häufig von Ängsten die Rede: von
der Angst vor der Zukunft, vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, von der
Angst, in unserer schnelllebigen Zeit nicht mehr mithalten zu können.
Angst hat viele Formen. Sie kann durch äussere oder innere Bedrohungen
ausgelöst werden. Die Angst ist an sich etwas Gutes. Sie hat eine wichtige
Funktion als Warnsignal vor Gefahren. Sie kann aber auch übermächtig werden
und uns lähmen. Sie kann unseren Blick total verengen und handlungsunfähig
machen. Mir ist zum Stichwort Angst das Bild von Eduard Munch Der Schrei
eingefallen. Vielleicht kennen Sie das Bild. Angst hat viele Gesichter.
Eine Angstgeschichte kennen wir aus dem Markusevangelium (4,35-41). Eines
Abends steigt Jesus mit seinen Jüngern ins Boot. Sie wollen über den See
fahren. Da kommt ein heftiger Sturm auf und das Boot wird von den Wellen hin
und her geworfen. Eine ungemütliche Lage, die selbst die sturmerprobten
Fischer das Fürchten lehrt. Das scheint Jesus nicht zu berühren. Er schläft
seelenruhig hinten im Boot auf einem Sitzkissen. Die Jünger wecken ihn und
rufen: Meister, kümmert es dich nicht, dass wir untergehen? Jesus steht
auf und spricht ein Machtwort zum Sturm. Da legt sich der Wind und es wird
ganz still. Warum habt ihr solche Angst gehabt? fragt Jesus. Habt ihr
denn immer noch kein Vertrauen.
Aus der Angstgeschichte ist eine Glaubensgeschichte geworden.
Jesus-nachfolge ist also nichts Langweiliges, und der Glaube ist kein
Ruhekissen. Manchmal haben wir sogar das Gefühl, dass wir in Situationen
hineinschickt werden, in denen wir uns bewähren müssen, wie die Jünger auf
dem stürmischen See. Angst, Zweifel und Unsicherheit können sich in
Vertrauen und Glauben verwandeln: Ja, der Glaube an IHN trägt mich auch in
stürmischen Momenten meines Lebens.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Weg-Wort vom 5. März 2009
Aber die Narren finden die Weisheit nicht, und die Gottlosen können sie
nicht entdecken. (Sirach 15,7)
In den letzten 150 Jahren haben wir Menschen viele erstaunliche Dinge
entdeckt. Vom Urknall bis zur DNA führten die Erkenntnisse zur Einsicht,
dass wir Menschen Teil eines evolutionären Prozesses sind.
Die Lehre der modernen Wissenschaft besagt, dass der Urknall ein Zufall sei.
Das Leben und auch der Mensch sei daher einfach ein glückliches
Zwischenspiel im Weltenlauf. Weil es für Menschen aber schwer sei, sich als
Zufall zu verstehen, hätten sie nach einem Sinn für ihre Existenz gesucht.
So hätten die Menschen für sich einen Gott ausgedacht, der auf sie zugehe.
Doch der Gedanke das Lebendige sei ein Zufall, nagt wie Rost am Sinn, am
Wert und der Bedeutung des Lebens. So zu denken, ist auch zerstörerisch für
das menschliche Zusammenleben. Denn es lässt dem Egoismus freien Lauf. Der
ungehemmten Gier, die unser Dasein vergiftet steht nichts mehr entgegen.
Die Voraussetzung für ein gutes Leben ist, dass wir Menschen nach einer
zivilisierten Gesellschaft streben. Dafür brauchen wir eine glaubhafte und
bedeutungsvolle Sicht des Menschen, die dem Einzelnen einen Sinn im
Geschehen zuschreibt.
Der Mensch ist immer Teil einer Gemeinschaft. Er muss auch bereit sein, das
moralische und ethische Handeln der Gesellschaft, mit zu verantworten. Dem
Interesse der Gesellschaft zu dienen, könnte für uns zum Beispiel heissen:
Als Volk und darum Gesetzgeber nicht mehr weiter die dunklen Geschäfte der
Banken zu rechtfertigen.
Es fällt leichter, moralische Defizite zu überwinden, wenn wir auf den Gott
vertrauen, von dem wir uns als gewollt, geliebt und von ihm geführt
verstehen. Dann verstehen wir uns als den Teil der Schöpfung, dem die
Aufgabe zugewiesen ist, am Himmelreich auf Erden mit zu arbeiten. Daraus
nehmen wir die Kraft, das Gemeinwohl über die eigenen Interessen zu stellen.
Dann streben wir nach der Weisheit, die dem Zerfall etwas entgegenzusetzen
vermag. Das macht uns reich.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Roman Angst, Toni Zimmermann
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