Weg-Wort vom 12. Juni 2009
Hast du heute schon gelobt?
Nichts tut einem Menschen so wohl wie Lob und Anerkennung. Das kostet so
wenig, und doch geizen wir damit im täglichen Leben mehr als mit dem Geld.
Mehr als das neue Kleid selber freut doch meine Partnerin die Bemerkung,
dass es chic ist und ihr gut steht. Auch ich weiss als Mann eine
anerkennende Bemerkung von Seiten meiner Frau zu schätzen.
Warum eigentlich? Ein Hauptgrund ist sicher der Hunger nach Anerkennung, den
viele Menschen in einer Konkurrenzwelt nicht genügend gesättigt bekommen.
Vielleicht ist es auch die Befriedigung der Eitelkeit, die manche Menschen
für Lob so empfänglich macht.
Ein Mann, der in einer Diskussion tagelang in Opposition war, hatte sich
plötzlich geöffnet, als ich beiläufig seine Kochkünste lobte. Ich hatte
damit eigentlich gar nichts bezweckt, aber die Wirkung war verblüffend und
hat mich motiviert, Lob gezielter und häufiger einzusetzen.
Ich glaube, wir kommen dem Geheimnis des Lobs näher, wenn wir uns kurz mit
dem Gegenteil davon, dem Tadel oder der Kritik beschäftigen. Beide kommen
sicherlich häufiger vor als Lob und sie sind oft auch notwendig, um uns auf
Fehler aufmerksam zu machen. Aber ihre Anwendung wirkt auf die meisten
Menschen schmerzlich. Lob hingegen ist wie Balsam auf die Seele. Es
bestätigt unser oft angeschlagenes Selbstbewusstsein und motiviert uns zu
neuen Taten.
Wer lobt, gibt eine positive Rückmeldung, die erfreut. Schon allein die
Tatsache, Feedback zu erhalten, ist wichtig. Denn es drückt nicht nur
Anerkennung aus, sondern zeigt vor allem, dass jemand mich, meinen Einsatz,
meine Leistung bemerkt hat. In unseren alltäglichen Beziehungen sollten wir
immer daran denken, dass erst das ausgesprochene Lob (wie auch die präzise
formulierte Kritik) die Situation eindeutig positiv macht.
Kinder brauchen unser Lob, damit sie selbstsicherer und motivierter werden.
Loben Sie Ihre Chefs, weil es sonst keiner tut! Und vergessen Sie nicht,
unseren obersten - göttlichen - Chef zu loben!
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
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Weg-Wort vom 11. Juni 2009
Erlass
Ein Geldverleiher hatte zwei Schuldner; der eine schuldete ihm fünfhundert
Denar, der andere fünfzig.
Da beide es nicht zurückzahlen konnten, schenkte er es beiden. Welcher von
ihnen wird ihn nun mehr lieben? (Lk 7, 41-42)
Diese Frage richtete Jesus an seine Jünger. Sie hielten sich darüber auf,
dass er sich von Maria hatte berühren lassen. Er habe sich nicht von einer
Sünderin salben lassen, sondern von einer Frau, die Gott besonders liebe,
entgegnete Jesus. Maria hatte durch ihn in ein neues Leben gefunden.
Jesus wusste, dass Menschen, die sich weit von Gott entfernt hatten,
umkehren und in eine sehr innige Beziehung zu Gott finden können.
Darum hat er sich zuerst solchen Menschen zugewendet. Für die von der
Gesellschaft Ausgeschlossenen bedeutet die Kunde Jesu von der väterlichen
Liebe Gottes Hoffnung und neues Leben. Die Lebensqualität der Jesu
Nachfolgenden verbessert sich, weil sie sich von Gott angenommen fühlen.
Er habe viel Sch.... gebaut, sagte der junge Mann. Jetzt gehe es ihm
besser. Er müsse immer noch betteln um durchzukommen, könne aber seinen
Verpflichtungen entsprechen. Das mache ihn frei. Er lebe jetzt ein ruhigeres
Leben und er bete immer wieder darum, dass Gott ihm weiter die Kraft dafür
schenke. Freimütig kann er über seine düsteren Erfahrungen reden. Er ist
sich gewiss, Gott hat mich berührt; nun darf ich der Vision von einem
erfüllten Leben folgen.
Ich musste ganz unten sein, bevor ich mich Gott zugewendet habe, erst
danach ging es für mich wieder aufwärts. Der Mann hatte viel durchgemacht,
bevor er bereit war, sich Gott zuzuwenden. Schritt um Schritt wagt er sich
nun vor auf der neuen Lebensspur. Er spürt immer besser, dass ihm seine
Schuld erlassen ist; um ganz heil zu werden, muss er nur noch sich selber
vergeben.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Weg-Wort vom 8. Juni 2009
Liebt eure Feinde und betet für alle, die euch verfolgen (Mt 5,44)
Der alttestamentliche Rechtsgrundsatz gleich um gleich (Ex 21,24; Lev
24,20) war schon ein Fortschritt, indem er die masslose Blutrache eindämmen
wollte. Jesus aber fordert in der Bergpredigt den völligen Verzicht auf
Vergeltung, weil nur so der Teufelkreis von Gewalt und Gegengewalt
durchbrochen werden kann.
Ist das aber nicht purer Selbstmord? Ist nicht Jesus das beste Beispiel
dafür? Sind nicht alle Vorkämpfer für Gewaltlosigkeit wie Mahatma Gandhi und
Martin Luther King umgebracht worden?
Sicher kann es Situationen geben, in denen auch Christen abwägen müssen, ob
und wie Gewaltanwendung nötig und berechtigt ist. Aber die Grundlinie ist
klar. Und sie entspricht dem, was wir aus den Evangelien von Jesus wissen:
Gewalt, Krieg, bewaffneter Widerstand sind seine Sache nicht. Wohl aber
Feindesliebe und die Mahnung, dass wer zum Schwert greift durch das Schwert
sterben wird.
Die Methoden der Gewalt sind im Laufe der Geschichte auch der
Kirchengeschichte zur Genüge erprobt worden. Und mit welchem Erfolg!
Ist dem gegenüber die Gewaltlosigkeit wirklich so unrealistisch? Der
russische Dichter F. M. Dostojewski war da anderer Meinung: Wenn du dich
ein für allemal dazu entschlossen hast, so wirst du die ganze Welt
bezwingen. Die demütige Liebe ist eine furchtbare Kraft; sie ist die
allergrösste Kraft, und ihresgleichen gibt es nicht.
Menschen, die mir feindlich gesinnt sind, kann ich beim besten Willen nicht
sympathisch finden und lieben, aber ich kann für sie beten, auch für ihre
Bekehrung. Dazu ermutigte der bekannte, 2004 verstorbene Wiener Kardinal
König, selber ein grosser Beter: Wir müssen viel mehr füreinander beten.
Wenn man im Gebet an jemanden denkt, der einem zum Beispiel nicht liegt,
dann lernt man ihn oft mit anderen Augen sehen. So kann das Gebet zu einem
Instrument des Friedens unter den Menschen werden.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
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Weg-Wort vom 4. Juni 2009
Die Goldene Regel
Wenn wir als Buben etwas teilen mussten, einen Apfel oder einen Nussgipfel,
dann achteten wir genau darauf, dass jeder exakt die Hälfte bekam. Auf
keinen Fall durfte der Anteil des anderen grösser sein als der eigene. Für
die heikle Aufgabe des Teilens hatten wir eine unfehlbare Methode: Der eine
durfte den Leckerbissen in zwei Hälften schneiden und der andere konnte
dafür als erster seinen Anteil wegnehmen. So bemühte sich jeder im eigenen
Interesse, dem anderen genau gleichviel zuzuteilen wie sich selber.
Ein ähnlich unfehlbares Rezept gibt Jesus in der Bergpredigt für unser
mitmenschliches Verhalten: Wie ihr von den Menschen behandelt werden wollt,
so sollt auch ihr sie behandeln (Mt 7,12). Man nennt diesen Grundsatz die
Goldene Regel. Sie ist ein verblüffend einfaches Rezept: Um zu wissen, wie
wir uns dem Nächsten gegenüber verhalten sollen, braucht es keine hohe
Bildung, kein Bibelstudium und kein langes Nachdenken. Denn was wir selber
gerne hätten, das wissen wir gewöhnlich recht genau. Wenn wir also erfahren
wollen, wie wir uns verhalten sollen, dann brauchen wir uns nur die
Testfrage zu stellen: Wie möchte ich selber von den anderen in der gleichen
Situation behandelt werden. Dann fällt uns die Antwort nicht mehr schwer.
Oder wenn ich mir nachträglich Gedanken darüber mache, ob ich den anderen
richtig, fair und gerecht behandelt habe, so brauche ich nur rasch die
Nagelprobe zu machen: Wie würde ich selber auf die gleiche Behandlung
reagieren? Positiv? Dann habe ich richtig gehandelt. Wäre ich auch sauer
geworden? Dann habe ich mich falsch benommen.
Die Goldene Regel ist mehr als ein raffiniertes Rezept. Sie enthält das
Grundgesetz des mitmenschlichen Verhaltens, ohne das ein Zusammenleben nicht
denkbar ist. Darum finden wir sie ähnlich formuliert in allen
Weltreligionen. Sie ist für jeden Menschen, auch für ungläubige
einleuchtend.
Es bleibt die Frage, woher wir die Kraft nehmen zu echt menschlichem Denken
und Handeln. Lassen wir sie uns heute von Gott schenken!
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Roman Angst, Toni Zimmermann
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