Weg-Wort vom 16. Juli 2009
Aufbruch
Abraham ist mehr als eine legendäre biblische Gestalt. Abraham ist der
Typus, das Modell des Menschen und Glaubenden, der sich herausrufen lässt
aus Sicherheit und Geborgenheit, aus der Heimat auf neue, unbekannte Wege,
getragen einzig durch das Wort dessen, der ihn ruft und sendet.
Nicht jede und jeder von uns hat das Format eines Abraham. Wir hängen am
Gewohnten, Vertrauten, Erreichten. Nicht dass wir mit dem gegenwärtigen
Zustand zufrieden wären. Unser Jammern und Kritisieren beweist das
Gegenteil. Aber wir sind ebenso skeptisch gegen neue Methoden und
Lösungsversuche im wirtschaftlichen, politischen und auch kirchlichen
Bereich.
Diese Situation ist, so scheint mir, in einem kleinen berndeutschen Gedicht
des Dichter-Pfarrers Kurt Marti treffend ausgedrückt:
Wo chiemte mer hi? Wo kämen wir hin?
Wo chiemte mer hi Wo kämen wir hin,
wenn alli seite wenn alle sagten,
wo chiemte mer hi wo kämen wir hin,
und niemer giengti und niemand ginge,
für einisch zluege um mal zu schauen,
wohi dass me chiem wohin man käme,
we me ging. wenn man ginge.
Wir sind stets versucht, am Altvertrauten und Liebgewonnenen festzuhalten.
Wir stehen gerne abseits, wenn es darum geht, Neues zu wagen.
Gefragt sind abrahamitische Menschen, die sich aus den Sicherungen heraus
locken und in eine neue Zukunft führen lassen. Menschen, welche die
Vergangenheit hinter sich lassen und ausschauen nach dem Leben, das vor uns
liegt, nach einer Zukunft, die vieles für uns bereit hält, und nach einer
Welt, die auf unseren Einsatz wartet. Sind wir Söhne und Töchter Abrahams?
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Beat Schlauri
info(a)bahnhofkirche.ch
www.bahnhofkirche.ch
Weg-Wort vom 9. Juli 2009
Ab ins Ferienparadies!
Ferien sind der Traum der Schulkinder, aber auch das ersehnte Ziel, auf das
wir Erwachsene uns schon lange gefreut haben. Wie sieht es bei Ihnen aus?
Haben Sie Ihren Urlaub schon gehabt? Oder können Sie sich noch darauf
freuen? Ferien und Urlaubsreisen versprechen ja so viele neue Erfahrungen.
Warum aber verläuft der Urlaub manchmal so enttäuschend? Warum gibt's
ausgerechnet am Strand mehr Krach als in den eigenen vier Wänden? Warum im
Wohnwagen oder im Hotel mehr Frust als im Eigenheim? Das liegt meiner
Meinung nach daran, dass der Urlaub oft zu sehr mit Ansprüchen befrachtet
ist.
Überhöhte Erwartungen an den Urlaub gibt es viele: Endlich den Ehepartner
einmal ganz für sich haben. Endlich einmal richtig Familie sein. Endlich mal
sich einfach treiben lassen können. Endlich niemand, der etwas von mir
erwartet - um das zu erreichen muss allerdings schon allein durch die Wüste
reisen!
Die Reiseindustrie trägt zur Überhöhung der Erwartungen bei.
Interessanterweise bedient sich die Werbung biblischer Bilder: Wie oft ist
da in den Prospekten vom Urlaubsparadies die Rede. Und die Ferienanlage
heisst nicht zufällig Eden in Erinnerung an den Garten Eden aus der
Bibel. Wenn die Welt und der Alltag an sich schon so grau und manchmal auch
hoffnungslos sind, soll wenigstens für den Urlauber das Paradies auf Erden
wahr werden.
Die Bibel ist da ganz nüchtern. Das Paradies ist verloren. Wir leben
jenseits von Eden. Und selbst paradiesische Ferienanlagen können uns nicht
darüber hinwegtäuschen, dass es in unserem Leben teilweise recht
unparadiesisch zu und her geht.
Ferien sind mehr als Fortbewegung und Ablenkung. Erholung finden wir dort,
wo die tieferen Schichten unseres Menschseins freigelegt werden und zum
Tragen kommen. Und das geschieht nicht nur an den Feriendestinationen.
P.S. Ich freue mich übrigens auch, die Sommerzeit zu Hause bei meiner Arbeit
zu verbringen. Der Stadtverkehr ist weniger hektisch, der Stau weniger zäh,
die Menschen scheinen entspannter zu sein. Da lernen wir vielleicht in uns
selber neue Seiten kennen, die sonst im Stress des Alltags verdeckt sind.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Beat Schlauri
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Weg-Wort vom 3. Juli 2009-07-03
Reif
Sobald aber die Frucht reif ist, legt er die Sichel an; denn die Zeit der
Ernte ist da. (Mk 4,29)
Will man süsse, aromatische Früchte ernten, muss man geduldig warten können,
bis sie reif sind. Dabei gilt es sich bereit zu halten, damit man sie zur
rechten Zeit pflücken kann. Dann sind sie ein Genuss. Verpasst man diesen
Moment, fallen die Früchte vom Baum und verfaulen.
Die volle Reife abzuwarten, ist nicht jedermanns Sache. Ein Bauer, der
kalkulieren muss, ist gedrängt, die Früchte vorzeitig von den Bäumen zu
reissen. Er erntet sobald sie gross genug sind. Geschmacklich können diese
Früchte es mit den gereiften Exemplaren nicht aufnehmen. Süsse und Aroma
brauchen Sonne und Zeit, damit sie sich entfalten.
Warten können, bis die Zeit da ist um zu handeln ist wichtig, wenn das Leben
Qualität haben soll. Sind wir ungeduldig und zerren die Früchte vorzeitig
vom Lebensbaum, fehlt ihnen ihre Essenz, das, was sie ausmacht.
Mutter Teresa sagte in einem Interview: Wir können etwas planen und dafür
beten. Es wird aber nur dann gelingen, wenn Gott die Zeit für gegeben hält.
Wenn meine Projekte auf Widerstand stossen oder misslingen, dann war die
Zeit noch nicht reif für sie.
Versuchen wir im Leben die Dinge zu beschleunigen, geben wir uns mit
unreifen Früchten zufrieden. Wir lassen sie nicht so wunderbar werden, wie
Gott sie gedacht hat und nehmen dabei in Kauf, dass sie kaum schmecken. Das
Resultat unserer Hast stimmt zwar in seiner Form, aber es entspricht nicht
unserer Erwartung; ja es enttäuscht.
Wer warten kann und achtsam bleibt, wird im rechten Moment handeln. Die
Früchte fallen dann ihr oder ihm beim Pflücken wie von selber in die Hand.
Die so gewonnenen Früchte des Lebens schmecken süss und herrlich.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Beat Schlauri
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