Weg-Wort vom 10. September 2009
Klatsch und Tratsch
Es ist nicht immer böse Absicht, wenn wir Informationen über nicht anwesende
Personen austauschen. Klatsch über Prominente füllt schliesslich die Spalten
der Regenbogen¬presse. Wenn wir über einen Menschen schlecht reden, ist das
allerdings nicht so harmlos. Wir geraten dabei leicht in den Bereich der
üblen Nachrede und Ehrverletzung.
Hilfreich ist in dieser Beziehung die kleine Geschichte von den drei Sieben:
Ganz aufgeregt kam einer zum weisen Sokrates gelaufen: Höre, Sokrates, das
muss ich dir erzählen, wie dein Freund
Halt ein! unterbrach ihn der Weise. Hast du das, was du mir erzählen
willst, durch die drei Siebe gesiebt?
Drei Siebe? fragte der andere verwundert.
Ja, drei Siebe. Das erste Sieb ist die Wahrheit. Hast du alles, was du mir
erzählen willst, geprüft, ob es war ist?
Nein, ich hörte es erzählen.
So, so. Aber sicher hast du es mit dem zweiten Sieb geprüft, es ist die
Güte. Ist, was du mir erzählen willst, wenn schon nicht als wahr erwiesen,
so doch wenigstens gut?
Nein, das ist es auch nicht, im Gegenteil.
Der Weise unterbrach ihn: Lass uns auch noch das dritte Sieb anwenden und
fragen, ob es notwendig ist, mir das zu erzählen, was dich so erregt.
Notwendig nun gerade nicht.
Also, lächelte der Weise, wenn das, was du mir erzählen willst, weder
wahr noch gut noch notwendig ist, so lass es begraben sein und belaste dich
und mich nicht damit!
Wir alle sind in vieler Hinsicht fehlerhafte Menschen, schreibt der
Verfasser des Jakobusbriefes (3,2). Wer nie ein verkehrtes Wort redet, ist
ein vollkommener Mensch. Vielleicht wäre es gut, wenn wir unseren Klatsch
und Tratsch öfter durch die drei Siebe des Sokrates filtrieren würden.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Beat Schlauri
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Weg-Wort vom 9. September
Freiheit ist anstrengend
Der Auszug aus Ägypten wird in der Bibel dargestellt als ein langer und
mühsamer Weg in die Freiheit. Er ist zum Bild geworden für Befreiung
überhaupt: Befreiung führt durch die Wüste, sie bringt Entbehrungen mit
sich, Spannungen, Zweifel und Gefahren.
Vor den der schwerbewaffneten Truppe des Pharao entdecken die Leute um Mose
ihre Liebe zu Ägypten. Der Aufbruch in die Freiheit und der Wegzug aus der
Knechtschaft haben ihre Faszination verloren. Angesichts der Gefahr
erscheint die Last der Unfreiheit gar nicht so schlimm: Haben wir nicht
gleich gesagt, du sollst uns in Ruhe lassen, wir wollen lieber den Ägyptern
dienen als in der Wüste umkommen (Exodus 14,12).
Ein Kind, das gehen lernt, entdeckt seine Liebe zum Laufgitter
wahrscheinlich in dem Moment, da es weinend am Boden liegt neben dem bösen
Tischbein, das härter ist als sein zartes Köpfchen. Und doch wird es nicht
im Laufgitter bleiben. Etwas in ihm treibt es dazu, frei zu werden vom
Laufgitter, das es stützt und zugleich einengt.
Auf eigenen Beinen stehen und gehen zu können ist bestimmt eine wichtige
Etappe im Leben des Kindes. Schon bald meldet sich der Anspruch, als Mensch,
als Person selbständig da zu stehen und selbstverantwortlich zu handeln.
Dieser Anspruch begleitet uns Menschen durch das ganze Leben. Und dieser
Freiheitsdrang bringt uns manch härteren Schock ein als das Tischbein für
das kleine Kind.
Kein Wunder, dass wir uns als erwachsene Menschen und ChristInnen auf dem
mühsamen, riskanten Weg zur Freiheit immer wieder nach dem kindlichen
Laufgitter zurücksehnen, uns an Vorschriften, dogmatische Lehren,
Autoritäten, Konventionen und Traditionen klammern.
Ihr seid zur Freiheit berufen! Nur nehmt eure Freiheit nicht als Vorwand
für die Befriedigung eurer selbstsüchtigen Wünsche, sondern dient einander
in Liebe (Galaterbrief 5,13). Der Weg in die Freiheit ist immer mühsam und
riskant. Aber der Herr führt und begleitet uns.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Beat Schlauri
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Weg-Wort vom 8. September 2009
Füsse
Vor Kurzem war ich wieder einmal bei meiner Podologin, um die verwachsenen
Zehennägel schneiden und meine strapazierten Füsse pflegen zu lassen.
Seither spüre ich eine neue Dankbarkeit und Bewunderung für meine Füsse.
Es ist nicht selbstverständlich, dass wir uns mit den Füssen frei von einem
Ort zum anderen bewegen können und dürfen. Die Füsse tragen uns durch das
ganze Leben.
Die Füsse sind die Basis unseres Bewegungsapparates, sie halten uns im
Gleichgewicht und sind wichtige Knotenpunkte unseres Körpers. Die
chinesische Medizin geht davon aus, dass an den verschiedenen Zonen des
Fusses Entsprechungen und Verbindungen zu allen Körperorganen bestehen. Die
Fussreflexzonen widerspiegeln die verschiedenen Organe, sodass wir von den
Füssen her auf den Gesundheitszustand des ganzen Körpers schliessen können.
Die Bedeutung unserer Füsse für unser Wohlbefinden wird uns meist erst dann
bewusst, wenn Probleme auftreten. Die richtigen Schuhe sind das Eine und die
regelmässige Pflege das Andere. Eigentlich machen wir Schweizer uns kaum
einmal die Füsse schmutzig, weil wir ja meistens Schuhe tragen. Trotzdem
hinterlassen unsere Füsse und Socken oft ziemlich unangenehme Düfte. In
biblischen Zeiten war es Brauch, einem Besucher als Zeichen der
Gastfreundschaft die Füsse zu waschen. Genau das hat Jesus seinen Jüngern
vorgelebt. Das war kein Kurs für Pediküre, sondern ein Kurs für Demut und
Dienst am Nächsten. Oft bin ich aber eher dazu geneigt, meinen Mitmenschen
gründlich den Kopf zu waschen als ihnen einen selbstlosen Liebesdienst zu
erweisen.
Folgen wir doch heute der Einladung der Erfolgsautorin des positiven Denkens
Louise Hay: Denken Sie an das Wunder, das wir Gehen nennen. Wie wunderbar
ist es doch, aufstehen und an einen anderen Ort gehen zu können. Danken Sie
Ihren Füssen dafür, dass sie Sie zu so vielen Orten tragen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Beat Schlauri
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Weg-Wort vom 4. September 2009
Wegerfahrungen
Es ist wieder Wanderzeit. Die sonnigen Septembertage locken die Menschen
hinaus ins Freie. Man wandert wieder. Mit Wanderbüchern und Wanderkarten,
mit Wanderschuhen auf Wanderpfaden, entlang neuer Wanderwege oder alter
Pilgerstrassen.
Gehen und Wandern an der frischen Luft in freier Natur ist für mich die
beste Art der Erholung für Körper und Geist. Wandern ist für mich auch eine
bevorzugte Weise der Meditation, eine Möglichkeit, etwas über den Sinn und
das Ziel meines Lebens und Glaubens zu erfahren.
Beim Wandern ist mir in diesen Tagen wieder neu bewusst geworden, dass unser
christlicher Glaube ein Weg ist, also nicht ein Zustand, nicht ein sicherer
Besitz von ewigen Wahrheiten. Unser Glaube ist nicht einfach da, sondern er
entwickelt sich erst in dem Masse, wie wir unseren Lebensweg gehen.
Wenn unser Glaube ein Weg ist, dann sind die unterschiedlichen
Weg-erfahrungen, die wir machen, ebenso viele Glaubenserfahrungen. Dann
gehört zum Glauben auch die Erfahrung der Müdigkeit. Oder es tauchen Zweifel
auf, ob der eingeschlagene Weg auch der richtige sei. Wer von uns hat nicht
schon einmal das Gefühl gehabt, er sei trotz gutem Willen in eine Sackgasse
geraten? Alle diese Erfahrungen gehören mit zum Glauben. Sie sind nicht
Zeichen mangelnden Glaubens, sondern verschiedene Stationen des Glaubens.
Mangelnder Glaube wäre es nur, wenn wir stehenbleiben würden. Glauben
heisst, einen Weg gehen und darum wissen, dass wir geführt werden.
Jesus sagt: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben (Joh 14,6), d.h.
ich bin der wahre Lebensweg. Ich zeige und eröffne euch einen gangbaren
Lebensweg, der jetzt schon sinnvoll ist und über den Tod hinaus führt. Er
ist diesen Weg vorausgegangen. Im Anschluss an ihn können wir unseren
eigenen Lebens- und Glaubensweg gehen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Beat Schlauri
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Weg-Wort vom 3. September 2009
Herr weise mir den Weg und mache mich willig, ihn zu gehen.
(aus dem Gebet der Heiligen Brigitta)
Zweimal begegnete mir die heilige Brigitta innert kurzer Zeit. Ein
Kugelschreiber mit ihrem Gebet und eine Ansichtskarte fanden über
verschiedene Wege auf meinen Tisch. Dies nehme ich als Anregung mich mit ihr
zu beschäftigen.
Das Mädchen Brigitta wurde in eine fromme schwedische Adelsfamilie geboren.
Sie wünschte früh einem Orden beizutreten. Die Sehnsucht nach Gott sei bei
ihr sehr ausgeprägt gewesen. Vielleicht war dies der Grund, dass man sie
bereits mit dreizehn Jahren aus der behüteten Kindheit entlassen und
verheiratet hat.
Ihrem Mann hat sie acht Kinder geboren. Als dieser auf der gemeinsamen
Pilgerreise nach Santiago verstarb, gründete sie einen neuen Orden zur
Armenpflege. Seit langem hatte Brigitta Visionen. Als Witwe war sie frei
ihrem göttlichen Auftrag zu folgen. Sie wollte Frieden im 100- jährigen
Krieg stiften. Dazu versuchte sie den Papst zu bewegen von Avignon nach Rom
zurück zukehren. So übergab sie die Leitung des Ordens ihrer Tochter und
übersiedelte nach Rom, um als Frau im Rom des 14. Jahrhunderts
internationale Politik zu machen.
Wohl nicht alle Aufgaben, die ihr das Leben stellte, sind Brigitta leicht
gefallen. Sie übernahm sie, weil sie darin ihren Lebensauftrag erkannte. Sie
nutzte dazu ihre Fähigkeiten und Verbindungen, ihr Geld. In Rom gründete sie
ein Hospiz für Arme in dem sie selber auch diente. Wenn sie dabei war zu
verzagen, dann half ihr ihre Ausdauer im Gebet weiter.
Der Essenz ihres Gebetes entnehmen wir, dass auch Brigitta immer wieder mit
sich gerungen
hat. Dabei hat sie gewusst, dass ihr nichts anderes bleibt als weiter den
Weg mit Gott zu gehen.
Sie tat es mit Entschlossenheit und Zuversicht. Ihr Glaube hielt sie in
Bewegung. Mit neunundsechzig Jahren pilgerte sie von Rom nach Jerusalem.
Danach lebte sie in Rom. Herr weise mir den Weg und mache mich willig, ihn
zu gehen!
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Beat Schlauri
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