Weg-Wort vom 16. April 2010
Aufstehen und nicht liegen bleiben
Die Schwalbe, nicht den Vogel, kennen viele vom Fussballfeld: Wenn einer
sich gekonnt in den Strafraum des Gegners fallen lässt, um einen Penalty
heraus zu schinden und vielleicht dem Gegner noch zu einer gelben Karte zu
verhelfen. Solche Spieler bleiben liegen und halten sich dieses oder jenes
Gelenk und leiden lautstark dass es noch Eindruck macht, aber nicht als
das wahrgenommen wird, was es ist: Reines Theater Fallen und liegenbleiben
sei schon ein integraler Bestandteil des Fussballspiels, denke ich manchmal,
und fast habe ich das Gefühl, es werde auch trainiert.
Das macht mich stutzig. Dient diese Form des theatralischen Auftritts dem
Spiel, oder nur dem Gewinn? Gehört es zur fussballerischen
Gewinn-Maximierung, wenn nicht nur legale oder legitime Mittel eingesetzt
werden, sondern auch solche, die den Grenzbereich streifen und nicht so ganz
koscher sind? Zudem ist das nicht nur im Fussball so, in diesem
Kampfsport, dass es dabei auf allen Seiten und überall nur Unschuldige
gibt: Die, die fällen geben sich ebenso unschuldig, wie die, die fallen.
Täter sein, Opfer sein, Unschuldig sein das sind nicht mehr eindeutig
feststellbare Zustände, sondern werden je länger, je mehr zu inszenierten
Verhaltensmustern: Angelernt, weil es einfacher ist?
Aber, was ist einfacher als aufzustehen, wenn das noch möglich ist
aufzustehen und weiterzuspielen? Ist das Spiel wichtig, die gemeinsame
Freude daran? Oder ist nur der Sieg, der Gewinn, das Geld wichtig?
Wenn das Spiel wichtig ist und bleibt, dann ist Aufstehen im Leben, wenn man
gefallen ist, das einzig Richtige nicht Opfer bleiben oder Opfer spielen.
Und wer das kann, sollte seine Gelegenheit dazu nicht verpassen: Auf-
stehen, nicht liegenbleiben, aufstehen und weiterspielen. Aufstehen immer
wieder und sich aufrichten und damit widerständig sein im Spiel des Lebens.
Das gibt Kraft. Wenn wir nur schon die Bewegung nachvollziehen und
aufstehen, uns aufrichten, und dann aufrecht gehen: Ein gutes Gefühl,
aufrecht zu sein und aufrichtig.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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Weg-Wort vom 15. April 2010
Auferstehung mit dem Tod vor Augen
Gerne habe ich die Frau zum Gottesdienst von Zuhause abgeholt. Das Gehen
macht ihr Mühe, immer wieder auf fremde Hilfe angewiesen zu sein auch. Sie
wird älter und die Kräfte lassen nach. Das geht allen so, nur können jüngere
es leichter von sich weisen. - Und dann im Gottesdienst im Pflegeheim das
Thema Auferstehung. Wie predigt man Menschen Auferstehung, die klarer als
andere den Tod vor Augen haben. Und nicht nur sie wüssten gerne, wies
nachher weiterginge so konkret und deutlich wie wir uns das Gegenteil
des ewigen Lebens, also Verdammnis und Hölle, ausmalen können, geht es
nicht. Gehts deshalb nicht, weil wir in Dimensionen geraten, die nicht
einfach nur ein Fortschreiben dessen, was wir kennen, erlauben? Ist es das
ganz Andere, das auch die Grenzen unserer Fantasie transzendiert? Paulus
vergleicht dieses Neue mit dem Weizenkorn, das in die Erde fällt und stirbt,
sterben muss, damit Neues, nämlich Halm, Ähre und Frucht entstehen. Tod
ist so nicht einfach nur als Ende beschrieben, sondern als ein Prozess
grundsätzlicher Veränderung: Aus dem Gestorbenen entsteht etwas ganz Neues.
Die Jünger und Jüngerinnen damals machten mit Jesus diese Erfahrung
vertraut und doch ganz fremd, ganz fremd und doch vertraut.
Unser Weg führt durch den Tod hindurch. Es gibt keinen Ausweg, Ich muss
alles loslassen, was ich habe. Das ist ein Prozess, dem wir uns alle stellen
müssen, und je älter wir werden, desto radikaler wird es. Loslassen, alles
verlieren, den Tod erfahren in seiner härtesten Form. Unausweichlich
Aber so meint Paulus, das ist nicht alles: Dieses Ende zu sehen ist eines,
das, was von Gottes Seite her kommt, zu erwarten, das ist die andere Seite
der Medaille. Sich ganz in Gottes Hand fallen zu lassen jetzt und dann,
das ist wohl die Kunst. Nicht ganz einfach aber es lohnt sich. Im
Korintherbrief (Kap. 15) schreibt er: So verhält es sich mit der
Auferstehung: Gesät wird in Vergänglichkeit, auferweckt wird in
Unvergänglichkeit. Gesät wird in Niedrigkeit, auferweckt wird in
Herrlichkeit. Gesät wird in Schwachheit, auferweckt wird in Kraft.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
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Weg-Wort vom 8. April 2010
Der siebte Himmel
Meiner Tochter gehts im Moment so richtig gut. Sie hat jede Menge Power.
Das Studium macht ihr Freude, und auch bei ihren Nebenjobs hat sie immer
wieder Glück, etwas Passendes zu finden.
Das allein ist es aber nicht. Sie hat Frühlingsgefühle. Das liegt nicht nur
am Wetter, an der Sonne und an den Blumen, die überall aus dem Boden
spriessen und die Welt in die schönsten Farben tauchen.
Sie ist neu verliebt. In ihren Freund. In das Leben. Und sie ist
überglücklich. Sie ist im siebten Himmel.
Sicher haben Sie in einem Glücksmoment auch schon gedacht: Ich könnte vor
lauter Freude an die Decke springen! Ist der siebte Himmel über den
Wolken? Dort, wo die Freiheit wohl grenzenlos sein muss, wie Reinhard Mey
einmal in einem Lied gesungen hat?
Das Reden vom siebten Himmel beschäftigt mich. Schliesslich begegnet uns die
Zahl 7 immer wieder. In verschiedenen Religionen steht sie für Ganzheit,
Fülle und Vollkommenheit. In der jüdischen Ueberlieferung kennt man die
Vorstellung von den sieben Himmeln. Sechs davon sind mit allerlei
Himmelsbewohnern bevölkert. Im siebten jedoch, im höchsten, wohnt allein
Gott. In 2Kor 12,2 heisst es: Ich kenne jemand der vor vierzehn Jahren bis
in den dritten Himmel entrückt wurde . Bis in den dritten!
Das kann nur heissen, dass im siebten Himmel sein ein absoluter
Glückszustand ist, das grösstmögliche Glück, das wir uns vorstellen können.
Gleichsam ein Schwebezustand. Die Zeit scheint stehenzubleiben. In einem
solchen Zustand ist es, als ob die Schwerkraft aufgehoben ist. Wir heben ab
und schweben auf einer Glückswolke. Ein Gefühl voller Seligkeit ist das. Da
kommt etwas Göttliches ins Spiel. Solche Momente können wir nicht
festhalten. Aber wir können den Augenblick geniessen, im Hier und Jetzt.
Ich wünsche Ihnen hin und wieder solche Momente voller Seligkeit.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
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Weg-Wort vom 7. April 2010
Spiel des Lebens
Eile mit Weile war früher das Spiel der Spiele. In jeder Familie wurde es
gespielt.
Heute erfreuen sich neben Bibliotheken und Videotheken Ludotheken grosser
Beliebtheit. Wir haben die Spiele und damit das Spielen wieder entdeckt. Da
gibt es Gesellschaftsspiele, Strategiespiele, Geschicklichkeitsspiele,
Ausdauerspiele, Wettspiele, Denkspiele, Glücksspiele.
Mit dem Glück im Spiel ist das allerdings so eine Sache. Als Kind wollte ich
immer gewinnen. Ich wollte das Glück zwingen, mit Tricks und kleinen
Mogeleien. Wenn ich dabei war, die letzte Spielfigur ins Ziel zu bringen,
passierte es mir aber garantiert, dass ich rausflog und wieder ganz von vorn
anfangen musste. Das machte mich oft wütend, und ich hatte keine Lust mehr
weiter zu spielen. Ich war eine Spielverderberin.
Unsere deutschen Nachbarn spielen Eile mit Weile unter dem Namen Mensch
ärgere dich nicht. Gerade weil es uns nämlich ärgert zu verlieren, weil es
uns schwer fällt zu akzeptieren, wenn wir nicht immer auf der Gewinnerseite
stehen.
Dabei ist Spiel jede Tätigkeit, die lediglich aus Freude an ihr selbst
geschieht. Das Spiel des Kindes beginnt mit der Beschäftigung mit sich
selbst und führt zum Spiel mit Gegenständen und schliesslich mit anderen
Menschen.
Was aber für das Spiel gilt, das gilt erst recht für das Leben selbst.
Spiel, Satz und Sieg heisst es beim Tennis. Wie aber gehen wir mit
Niederlagen um? Nehmen wir sie sportlich? Das würde bedeuten, dass wir
anderen den Sieg, den Erfolg gönnen und uns von Misserfolg nicht enttäuschen
und entmutigen lassen.
Ich habe Ostern vor Augen, diesen Triumph des Lebens. Vorausgegangen sind
ihm aber trotz vollem Einsatz Versagen, Enttäuschung, Angst, Hadern. Nichts
von Leidverschonung.
Mein Nachbar hat Krebs. Chemotherapie. Ein anderer Nachbar wurde letzte
Woche beerdigt. Sein Enkel war dabei, 20 Jahre jung. Nach der
Hirntumoroperation im vergangenen Jahr geht er mühsam an Krücken. Er lebt,
er kämpft, ist mutlos und dann wieder voller Hoffnung. Spiel des Lebens.
Tod, wo ist dein Stachel? Tod, wo ist dein Sieg? Trotz Niederlage wieder
aufstehen. Gott richtet uns auf, die Lebenden und die Toten.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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