Weg-Wort vom 14. Januar 2011
Januar-Loch
Die Festtage sind vorüber. Die Christbaumkerzen sind erloschen, die
heimelige Weihnachtsstimmung ist verflogen. Das eben begonnene neue Jahr
2011 lässt uns Mitte Januar in ein Stimmungstief fallen.
Von den Schlemmereien am Weihnachtstisch, von Grossmutters Guetzli-Büchse
und der feuchtfröhlichen Silvesterparty bleibt ein schaler Nachgeschmack
zurück: Wir haben wieder einmal über die Stränge gehauen! Die Ausgaben für
die Weihnachtsgeschenke, die Steuerrechnung und die erhöhten
Krankenkassenprämien haben ein ziemliches Loch in unser Portemonnaie
gerissen. Dabei stehen doch schon die Winterferien bevor. Wir müssen uns
jetzt zweimal überlegen, wofür wir unser Geld ausgeben.
Vielleicht ist das Januar-Loch in unserer Konsumgesellschaft heilsam. Wir
spüren, dass es auch anders geht, dass wir nicht alles haben müssen, was
wünschenswert ist, dass ein bewusster Lebensstil zufriedener macht.
Es gibt auch andere als materielle Januar-Löcher. Vielleicht haben wir uns
in der Adventszeit bewusst und erwartungsvoll auf das Weihnachtsfest
vorbereitet, Woche für Woche eine Kerze mehr angezündet. Wir haben den
Mitternachtsgottesdienst mitgefeiert, manche von uns haben den Weg zur
Orchestermesse am Weihnachtstag gefunden. Wir haben gesungen: Christ, der
Retter, ist da - und spüren jetzt doch so wenig von seiner Gegenwart. Das
ist das religiöse Januar-Loch. Es kommt daher, dass wir meinen, die Geburt
Jesu sei die Erfüllung all unserer Erwartungen. Dabei feiern wir an
Weihnachten nicht die Vollendung, sondern nur einen Anfang.
Festzeiten sind Höhepunkte. Der grösste Teil unseres Lebens besteht aus dem
Alltag, der für uns oft genug Mühe, Schweiss, Routine und Hetze, Stress und
Müdigkeit und manchmal geisttötende Tätigkeit bedeutet. Dieser Alltag behält
seine Bedeutung. Er ist das Feld für die nüchterne Bewährung unseres
Glaubens. Der Alltag wird Alltag bleiben, auch in diesem neuen Jahr.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi, Beat Schlauri
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Weg-Wort vom 13. Januar 2011
Eine zündende Idee
Ich mag es ruhig. Darum flüchte ich jeweils in der Silvesternacht vor dem
Krach der Böller und Raketen. Aber das ist nicht der einzige Grund, warum
ich zu den Benediktinern nach Mariastein fuhr. In der Klosterkirche erlebte
ich
einen Jahreswechsel der besinnlichen Art. Lesungen aus der Hl. Schrift
wechselten sich ab mit Gedanken zu den biblischen Texten und mit Musik.
Ein Mönch rezitierte mit klarer, fester Stimme zuerst aus
dem 3. Buch Mose: Das Land soll Sabbatruhe zur
Ehre des Herrn halten. (Levitikus 25,2)
Da ist zum einen die Rede von der Brachzeit nach sechs Jahren des Pflanzens,
Säens und Bebauens. Im siebten Jahr sollen die Reben nicht beschnitten, die
Trauben nicht geerntet und der Boden nicht bearbeitet werden. Die Natur
kennt den Nutzen des Ungenutzten. Die Ruhezeit eines Winterschlafs bringt
dem Boden und den Pflanzen Entlastung. Sie können sich erholen und neue
Kräfte sammeln.
Wie aber steht es mit den Menschen? Der Psalmist weiss die Antwort, weil er
es selber erfahren hat, und so las der Mönch langsam den Satz:
Bei Gott allein kommt meine Seele zur Ruhe (Ps 62,2)
Wir erleben Entlastung, wenn wir das Hamsterrad von Funktionieren und
Produzieren für eine Weile verlassen. Sie meinen, das sei unmöglich, weil es
sich unerbittlich weiterdreht? Oder weil es ohne Sie still stehen und weil
das Rückschritt bedeuten würde? Oder weil Sie sich als Berufsmensch oder als
Familienmanagerin kein Sabbatical leisten können?
Ich plädiere ja nicht fürs Aussteigen, sondern fürs Einsteigen auf Gottes
Angebot eines menschenwürdigen und gesunden Rhythmus von Arbeit und Ruhe,
von Spannung und Entspannung, von Geben und Erholen. Anstatt dass der Mensch
ausgelaugt wird, kann er in einem gesunden Gleichgewicht bleiben, wenn säen,
pflanzen und ernten auf der einen Seite und ruhen und regenerieren auf der
andern Seite sich die Waage halten. Probieren Sie es doch einfach einmal!
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
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Weg-Wort vom 12. Januar 2011
Stolpersteine
Eines Tages stand Diogenes an einer Strassen-ecke und lachte wie ein
Verrückter. Worüber lacht Ihr?, fragte ein Vorübergehender. Seht Ihr
jenen Stein in der Mitte der Strasse?, fragte Diogenes.
Seit heute Morgen stehe ich hier, zehn Leute sind
bereits darüber gestolpert und haben ihn verflucht. Aber nicht einer machte
sich die Mühe, ihn weg zu räumen, damit andere nicht mehr stolperten.
Am liebsten würde ich Diogenes fragen: Na, wie lange bist du noch so
dagestanden und hast dir den Bauch gehalten vor Lachen und dich über die
dummen Leute lustig gemacht?
Aber leider ist das nicht möglich, denn der griechische Philosoph lebte und
starb vor unserer christlichen Zeitrechnung. Umso mehr erstaunt es, dass
solche kleine Anekdoten von ihm immer noch im Umlauf sind und auch weiterhin
gedruckt werden. Oder ist das vielleicht gar nicht so erstaunlich?
Da beschreibt Diogenes mit wenigen Sätzen das Verhalten der Menschen und
ihren Umgang miteinander und hält damit zeitlos gültig auch uns den
Spiegel vor. Ärgern wir uns etwa nicht, wenn uns ein Malheur passiert von
der Art, wie es Diogenes erzählt? Denken wir in einem solchen Augenblick als
erstes an jene, welche nach uns über das gleiche Hindernis stolpern könnten?
Würden wir den Stein des Anstosse(n)s sofort aus dem Weg räumen?
Die kleine Episode des Diogenes sagt uns, dass es eigentlich gar nicht so
viel braucht, um ein froher Mensch zu sein statt einer, der ständig nörgelt
und schimpft. Dabei können wir erst noch ohne grosse Mühe für andere etwas
Gutes tun, wenn wir aus einer kleinen Not eine Tugend machen und
Stolper-steine aus dem Weg räumen. Denn keine Zukunft vermag gutzumachen,
was du in der Gegenwart versäumst. (Albert Schweitzer)
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Roman Angst, Toni Zimmermann
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Weg-Wort vom 7. Januar 211
Dunkelheit und Licht
Die Sternkundigen und die Hirten waren einem besonderen Licht gefolgt. Es
hatte sie in ihren Bann gezogen. Mit seiner Leuchtkraft hatte es alle
Gestirne überstrahlt und ihren Glauben an einen neuen Äon wieder aufleben
lassen.
Wenn wir aus den Dunkelheiten unseres Lebens
ausbrechen und aufbrechen, werden wir die Lichtspuren umso heller wahrnehmen
können, die unseren Lebensweg erleuchten.
Hans Dieter Hüsch mit seiner Hoffnung und mit seinem festem Glauben ist für
mich eine Ermutigung, mich über Weihnachten hinaus einzulassen auf das Kind
in der Krippe, und damit auf das Geheimnis der Liebe Gottes:
Gott löst das Geheimnis der Liebe durch Jesus Christus.
Und wir sehen von neuem ganz hell und klar das Licht, das über den
Eismeeren aufgegangen ist, dass alle Wüsten und Urwälder ruhig bleiben, und
dass alle Welt sich im Geiste aufmacht nach Betlehem.
Das Licht der plötzlichen Erkenntnis, der Nächsten- und der Feindesliebe
über alle törichten selbstzerstörerischen Argumente hinweg.
Das Licht des Friedens möge wie eine Fackel in uns brennen.
Das Licht des endlosen Friedens suchen
Die Liebe
Das Licht des Leidens
Das Licht der plötzlichen Erkenntnis, so nenne ich es.
Dass kein Mensch ohne die anderen Menschen existieren kann
Dass wir nur überleben, wenn wir miteinander und füreinander leben
Dass wir abgeben, was uns nicht gehört
Dass wir das aufgeben, was die Reichen reicher und die Armen ärmer macht.
Statt eines üblichen Vorsatzes fürs neue Jahr werde ich die Worte von Hüsch
bedenken und versuchen, wenigstens ansatzweise danach zu leben.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
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Weg-Wort vom 6. Januar 2011
Befana du gute Hexe
Heute ist Drei-Königs-Tag, das kirchliche Epipha-niefest. Es ist der Tag der
Erscheinung Christi, der in den Ostkirchen als Tag der Geburt Jesu gefeiert
wird. Dazu erzähle ich Ihnen eine Fassung der Sa-ge um die alte Hexe Befana
(Epiphania). Befana ist die gute alte Frau, die für die Hirten in ihrer
Umge-bung die Salbe herstellt, damit diese ihre kranken Schafe richtig
pflegen können. Sie macht also drin-gend benötigte Medizin. Sie sorgt sich
um die, die ihr vertrauen und ihr Versprechen hält sie ein. Als die Hirten
sie mitnehmen wollen zum neugeborenen König, kann sie sie nicht begleiten,
weil die Salbe noch nicht fertig ist. Befana beendet ihre Arbeit und bricht
erst dann auf. Sie kommt prompt zu spät. Darum ist sie immer um diese Zeit
nach Weihnachten unterwegs und sucht das Jesus-Kind. In jedem Kind sucht sie
es und beschenkt es. So ein alter Brauch aus Italien:
Die Kinder singen das Befana Lied, um sie auf sich aufmerksam zu machen.
Was denken Sie, wie haben wir, als unsere Kinder noch klein waren, gesungen
in der Nacht auf den 6. Januar. Wir haben die Fenster aufgerissen und in die
Nacht hinein gesungen, voller Freude und Hoffnung auf eine kleine oder
grosse Gabe von Befana.
Warum auch immer Befana zu spät gekommen ist, sie teilt dieses Schicksal mit
uns allen. Aber sie macht sich auf und das ist für mich zentral: Sie macht
sich auf und sucht das Kind und findet es auch, so wie Georg Schmid in einem
Weihnachtslied geschrieben hat (Reformiertes Kirchengesangbuch 429,1-3):
Nicht Bethlehem allein ist auserkoren. Nicht über einem Stall nur steht
sein Stern. In tausend Hütten wird das Kind geboren. Und jeder Ort ist
Krippe unseres Herrn. Wer kann den Sohn in seinem Leben finden? Such mit
Geduld. Vertreib die Müdigkeit. Er lässt sich nie an deine Pläne binden. Du
kommst nach Bethlehem zu seiner Zeit. Nicht alle konnten damals ihn
erkennen. Zu viele dachten nie an Stall und Mist. Wer finden will, muss sich
von Bildern trennen, die ihm erklären wollen, wer Gott ist.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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