Weg-Wort vom 10. Februar 2011
Raum für Zwischenräume
Ein Meister stand vor seinen Schülern. Er nahm ein grosses leeres Glas,
füllte es bis zum Rand mit grossen Steinen und fragte seine Schüler, ob das
Glas voll sei. Sie stimmten ihm zu. Dann
nahm er eine Schachtel mit kleinen Kieselsteinen, gab sie ebenfalls in das
Glas und schüttelte es leicht. Die Kieselsteine rollten in die
Zwischen-räume. Er fragte erneut, ob das Glas nun voll sei. Die Schüler
stimmten wieder zu. Jetzt nahm er einen Becher mit Sand und leerte ihn ins
Glas. Der Sand füllte die letzten Zwischenräume aus.
Nun, sagte der Meister, dieses Glas vergleiche ich mit unserem Leben. Die
grossen Steine sind die wichtigen Dinge im Leben: Gesundheit, Familie,
Freunde, der Glaube an Gott. Werte, die unser Leben immer noch erfüllen,
wenn alles andere wegfallen würde. Die Kieselsteine sind schöne, aber
weniger wichtige Dinge, wie Wohnung, Auto oder Haus. Der Sand schliess-lich
symbolisiert die tausend kleinen Annehmlichkeiten im Leben. Wenn ihr
den Sand zuerst in das Glas füllt, bleibt nicht genug Raum für die grossen
Steine und die Kieselsteine.
So ist es auch in unserem Leben: Wenn wir alle Energie für die kleinen Dinge
im Leben aufwenden, haben wir keine mehr für die grossen. Achten wir also
mehr auf die wichtigen Dinge und nehmen uns Zeit für die Kinder und die
Partnerschaft, für die Gesundheit und die Freunde. Lassen wir vor allem Gott
genügend Raum. Dann bleibt noch genug Zeit für Haushalt, Partys und die
täglichen Sorgen. Die grossen Steine sind es, die wirklich zählen. Der Rest
ist Sand, der die Zwischenräume im Leben ausfüllt. (Quelle unbekannt)
Wie verblüffend einfach es doch sein kann, eine Unterscheidung zu machen,
die manchmal schwierig scheint. Wir brauchen nur ein anschauliches Bild und
sehen plötzlich klarer. Am besten, wir nehmen ein Glas, Steine und Sand und
probieren es selbst aus, indem wir unsere Lebenssteine sortiert nach den
Kriterien lebenswichtig angenehm obendrein ins Glas füllen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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Weg-Wort vom 9. Februar 2011
Was uns prägt
Wenn wir unser Leben anschauen, sind wir gelegentlich erstaunt oder gar
irritiert über uns selbst. Wir meinen uns zu kennen und stellen doch immer
wieder neue, bisher unbekannte Seiten an uns fest. Das können positive sein,
von denen wir angenehm überrascht sind, oder auch problema-tische, die uns
verunsichern, so dass wir uns fragen: Was ist los mit mir? So kenne ich mich
doch gar nicht! Das bin nicht wirklich ich! Wir sind uns selbst ein Rätsel.
Was hat uns in unserem Leben entscheidend geprägt und wie können wir damit
umgehen?
Früher vertraten Wissenschaftler die Ansicht, mit den Genen sei der Mensch
festgelegt. Alles stecke in den Erbanlagen. Ein Mensch sei entweder gut oder
böse. Mit der 68er-Bewegung setzte sich die gegenteilige Auffassung durch.
Zur Hauptsache würden Umfeld und Erziehung einen Menschen prägen, die
Herkunft spiele nur eine untergeordnete Rolle.
Was aber bedeutet überhaupt: Ich bin geprägt?
Ein Mensch ist nicht genormt, sondern einmalig und hat deshalb seine je
eigene, unverwechselbare Prägung. Er muss auch nicht wie ein Schaf durch
eine farbliche Kennzeichnung aus der Herde herausgesucht werden. Er ist eine
Person mit einem Namen.
Vielleicht hat sich im Laufe des Lebens manches Schmerzhafte eingebrannt in
unserer Seele, so dass die Erinnerung daran noch immer weh tut. Doch da ist
die Zusage Gottes, dass wir unauslöschlich eingezeichnet, ja eingeritzt sind
in seine Hand (Jesaja 49,16). Dieses Bild ist in meiner Vorstellung ungemein
tröstlich und macht es leichter, alles aus Gottes Hand und auch sich selbst
anzunehmen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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Weg-Wort vom 8. Februar 2011
Wenn Zweifel nagen
Glauben Sie alles, was man Ihnen erzählt oder was die Medien berichten?
Täte man nicht gut daran, manche Aussagen mit Vorsicht zu geniessen? Zweifel
an der Richtigkeit eines Sachverhaltes oder Tatbestandes sind oftmals
durchaus angebracht. Wir müssen nicht einfach alles in gutem Glauben
unbesehen übernehmen. Was aber sollen oder können wir glauben?
Dazu eine Anekdote: Ein ortsbekannter Zweifler kniet in der Kirchenbank. Der
Nachbar spricht ihn an: Ich denke, du glaubst nicht an Gott? Freilich
nicht, antwortet der Gast. Aber weiss ich, ob ich recht habe?
In der Tat ist es mit dem Glauben so eine Sache. Vor allem, wenn es dabei um
den Glauben an etwas geht, das nicht sinnenfällig ist. Also etwas, das ich
nicht sehen, riechen, hören, schmecken oder ertasten kann. Da sagen
wir schnell einmal: Wenn ich das glauben soll, musst du es mir beweisen
können!
Sind wir deswegen alle ein ungläubiger Thomas? Und überhaupt: War Thomas
deshalb ein Ungläubiger, weil er von Jesus einen sichtbaren und greifbaren
Beweis verlangte? (Johannes 20,25) Würden Sie sich selber als
ungläubig bezeichnen, weil Sie manches in Zweifel ziehen? Es gibt doch wohl
nichts, das über jeden Zweifel erhaben wäre.
Als man nach dem Tod von Mutter Teresa ihr Tagebuch fand, in welchem sie in
ihren dunklen Stunden nicht nur Glaubens-, sondern sogar Gotteszweifel
niederschrieb, zweifelten Einige die Echtheit des Tagebuchs an. Das kann
doch nicht wahr sein, sagten sie. Warum wohl? Es hätte ihren eigenen Glauben
erschüttert.
Ob ich denn nie Zweifel hätte in meinem Glauben, wurde ich schon öfters
gefragt. Oh doch, die habe ich! Aber ich betrachte sie als äusserst
hilfreich, um mich nicht in einem Schlaf der Sicherheit bequem
einzurichten. Meine Zweifel halten mich wach, lassen mich immer wieder
suchen und finden. Sie stehen meinem Glauben nicht im Weg, sondern sie
gehören zu ihm.
Ich glaube! Hilf meinem Unglauben. ( Mk 9,24)
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
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Weg-Wort vom 4. Februar 2011
Wo ist hier der Noteingang?
Ob im Kino oder in der Disco, im Stadion oder im Konzertsaal, an jedem
dieser Orte finden wir die grün leuchtenden Kästchen über den Türen mit der
Aufschrift EXIT. Einerseits bin ich beruhigt, wenn ich dieses Grün sehe.
Anderseits beschleicht mich oft ein mulmiges Gefühl. Was, wenn die Türen
verschlossen wären, so dass im Notfall die rettende Flucht ins Freie
unmöglich wäre? Ich sässe vielleicht in einer tödlichen Falle.
Es gibt aber auch das umgekehrte Zeichen: NOTEINGANG. Was bietet ein
Noteingang, und wer braucht unbedingt einen, abgesehen von einem
notfallmässigen Spitaleintritt?
In unserem Land gibt es viele verschiedene Institutionen, welche Menschen in
einer schwierigen, oft lebensbedrohlichen Lage Zuflucht bieten. Früher
bezeichnete man solche Häuser als Asyl. Das Wort Asyl bedeutet sicher,
unberaubt. Es ist somit ein Zufluchtsort für Verfolgte, wo man vor
Angriffen und Verletzungen körperlicher und seelischer Art geschützt ist,
und wo man ohne Angst in Sicherheit leben kann. Heute verbinden wir mit dem
Begriff Asyl meistens Migration. Das ist eine zu enge Sicht.
Auch unsere Kirchen sind Orte, die Schutz gewähren. Deswegen wurde der
Begriff Kirchenasyl geprägt. Kirche will aber noch mehr sein. Sie möchte
Heimat bieten.
Für den Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch ist die Kirche das Haus Gottes,
und das ist auch mein Haus. Ich kann da jederzeit hineingehen. Ich kann mich
sogar in die Kirche flüchten. Dort ist ein Platz für alle, und dort wird
ihnen auch Schutz gewährt. Und dort fühle ich mich auch sehr zu Hause, muss
ich sagen
Ich bin froh um die vielen staatlichen und kirchlichen Noteingänge. Wenn wir
dazu unsere eigene Tür offen halten, ist das gelebte Gastfreundschaft aus
dem Geist Jesu, egal ob wir diese Tür Noteingang oder Asyl nennen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
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Weg-Wort vom 3. Februar 2011
Die Kraft der Erinnerung
Manchmal passiert es, dass eine Beziehung aufhört. Bricht sie ab, dann sind
Bruchstellen zu sehen. Wird sie abgeschnitten, dann kann man auf hoffentlich
saubere Schnittstellen schauen. Zerreisst sie, so sieht man da und dort noch
Fäden am Riss, Fäden, die auf die Wunde verweisen. Weh tun sie allemal, aber
glücklicherweise heilen die meisten solcher Beziehungswunden mehr oder
weniger schnell. Sie hinterlassen Narben und Narben erzählen ganz viel. Sie
erzählen von Beziehungen, die der Vergangenheit angehören, die vorbei sind.
Das kann wehmütig machen. Aber sie erzählen auch von der intensiven und
guten Zeit der Beziehung.
Wie sehr hat der Mann geleuchtet und sich aufgerichtet, als er von der
langen und guten Ehe mit seiner Frau erzählte und er erzählte so lebendig,
dass ich die Beiden als junges Liebespaar dem Ufer des Lago Maggiore entlang
flanieren sah. Fahrig und zitternd war er hereingekommen, kraftvoll und
voller Lebensmut ging er wieder hinaus. Seine Fragen blieben bestehen,
Einiges konnte geklärt werden, aber längst nicht alles. Doch ihm war viel
wichtiger die Energie, die er aus der Erzählung von seiner Frau schöpfen
konnte. Ein wunderschönes Erlebnis war es mitzuerleben, wie sich sein
gebeugter Körper aufrichtete, seine stumpfen Augen zu strahlen begannen, zu
leuchten, als wäre von einem Moment zum andern ein Licht angezündet worden,
ja viel mehr ihm ein Licht aufgegangen.
Es geht nicht nur darum, Vergangenem nachzutrauern das gehört zum Leben,
aber es ist nicht das Einzige. Wer dem Verlust einer Beziehung nachtrauert,
der weiss auch um ihre Schönheit und nicht nur das Eine gehört in unsere
Gegenwart, auch das andere.
Es geht nicht um die Frage, wie wäre es, wenn, sondern darum aus der
Schönheit der Vergangenheit Kraft und Freude zu schöpfen. Kraft und Freude
für ein Leben im Jetzt.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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