Weg-Wort vom 16. Juni 2011
Für den Weg in die gemeinsame Vielfalt - ein Glaubensbekenntnis
Ich glaube an Gott, von dem wir sagen,
er sei wie eine Henne, die ihre Kücken wärmt.
Ich glaube an Gott, von dem wir sagen,
er sei verletzlich und weine manchmal auch mit uns Menschen.
Ich glaube an Gott, von der wir sagen,
sie habe die Welt und Frauen wie Männer wunderbar und schön gemacht.
Ich glaube an den menschgewordenen Gott, von dem wir sagen,
er habe mit uns gelebt und gelitten.
Ich glaube an den Menschen, nicht aber an den Mann Jesus Christus, empfangen
durch Liebe und Lust, geboren zwischen den Schenkeln Marias, gelitten und in
Verwahrung genommen im Namen des Gesetzes unter dem Grölen des Volkes,
geschrien in Verzweiflung, hingerichtet, ermordet und eines grausamen Todes
gestorben am Kreuz.
Ich glaube an die Auferstehung, wie es zuerst Maria aus Magdala und dann
auch Petrus und andere bezeugt haben.
Ich glaube an die Geistkraft, die Verhöhnte stark werden lässt, den Stummen
Sprache verleiht und den Kleingehaltenen Mut.
Ich glaube an die Möglichkeit von Kirche, die lebendig wird und Gemeinschaft
lebt auch ausserhalb von Kirchenmauern, wann immer die Geistkraft es will.
Ich glaube an die Gemeinschaft der Menschen, nicht nur der Heiligen.
Ich glaube an die Vergebung, die einen Neuanfang ermöglicht,
an die Lebendigkeit trotz Tod,
an Liebe trotz Hass,
an Lebenskräfte trotz Krankheit,
und ich glaube an das ewige Leben. Amen.
(Ruth Egloff (1961-1990), in: Neue Wege 4/1990, S. 101.)
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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Weg-Wort vom 15. Juni 2011
Verfallsdatum
Auf der ersten Seite einer Zeitung war die Schlagzeile platziert:
Bundesratskandidat mit 60 schon zu alt!
Aufgeschreckt dachte ich daran, dass mich selbst auch nur ein paar Jährchen
von dieser Zahl trennen. Gleich-zeitig erinnerte ich mich an das kurze
Gespräch dreier
Männer im Bus, als ich früh morgens zum Bahnhof fuhr.
"Weisst du, ich bin halt alt, verbraucht und betriebsblind", sagte der eine.
"Dann mach' es doch wie der XY, der hat sich krank gemeldet und ist gar
nicht mehr in die Firma zurückgekehrt. Jetzt bezieht er IV", gibt ihm der
andere zur Antwort. - Was? Nein, das ist nichts für mich. Aber wenn du über
dreissig Jahre immer im selben Betrieb bist, dein ganzes Wissen und deine
Arbeitskraft investiert hast, dann ist es einfach bitter zu hören, dass du
nicht mehr die volle Leistung bringst und vielleicht ausrangiert werden
sollst."
Wir definieren uns zu einem guten Teil über die Arbeit, weil wir dadurch
erfahren, dass wir etwas wert sind. Wird Arbeit nämlich nicht (nur) als
Last, Dauerstress und Druck erlebt, ist sie ein positiver Wert. So heisst es
schon beim Philosophen Immanuel Kant: "Je mehr wir beschäftigt sind, je mehr
fühlen wir, dass wir leben." In der Regel ist unsere Arbeit allerdings
geplant und bestimmt von anderen.
Aber wir sind nicht nur zur Arbeit geschaffen. Wenn die Zeit der
Pensionie-rung kommt oder bei Arbeitslosigkeit, kann dieser Verlust mit
einem Gefühl von Trauer einhergehen. Oder noch krasser, es kommt einem
Schock gleich, wenn alles plötzlich wegfällt, was dem Leben ein Stück Sinn
gegeben hat. Zweifel und Unsicherheit machen sich breit: Bin ich noch
'brauchbar'? Wem nütze ich noch?
Ein Wendepunkt erfordert Abschied nehmen, Perspektivenwechsel und
Neu-orientierung. Darin liegt auch eine Chance, wenn wir fragen: Was kam
bisher zu kurz? Was macht mir Freude? Welche Alternativen gibt es? Was kann
mir
Erfüllung bringen? Womit möchte ich das noch unbeschriebene Blatt 'Zukunft'
füllen? Was soll zuerst einmal bewusst leer bleiben? Und letztlich erweist
sich manches, was im ersten Moment sinnlos erscheint, vielleicht als gute
Fügung Gottes.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Weg-Wort vom 10. Juni 2011
Kein Kreuz mit dem Kreuz
Es ist ja seltsam, dass wir als Zeichen für unsern Glauben ein
Folterwerkzeug der römischen Zeit haben: Das Kreuz. Verständlich, wer Mühe
damit hat. Ist es aber noch verständlich, keine Mühe damit zu haben?
Unser Kreuz erinnert an den Tod Jesu, sein Leiden und Sterben - ein
solidarisches Leiden. Das macht es besonders. Jesus leidet am Kreuz,
sichtbar für alle, es führt zu seinem Tod, das letzte irdische Zeichen, was
wir anschauen und - wenn es klein genug ist - auch in die Hand nehmen
können. Es verweist auf Ostern. Über Leiden und Sterben hinaus, richtet es
uns aus: Wie grausam uns unser Leben auch mitspielt, das letzte Wort ist mit
Tod und Schmerz und Leid nicht gesprochen. Darauf sollen wir vertrauen. Es
gibt ein Aufstehen nach dem Schmerz, es gibt ein Auferstehen nach dem Tod:
Das eine zu sehen, das andere zu glauben. Gott ist mit seiner Kraft in unser
Leben eingetaucht, damit wir seine Lebenskraft spüren durch alles hindurch
und in allem. Als ich dann ein Kreuz aus Sonnenkollektoren sah, hab ich mir
gedacht, das ist ja super, das gibt Energie, Kraft sich im Leben zu
bewähren.
Energie aus dem Kreuz.
Nicht nur Sonnenkollektoren sind Energie-lieferanten auch das Kreuz Christi
ist es. Weil die Geschichte Gottes mit seinen Menschen am Karfreitag nicht
mit dem Tod Jesu am Kreuz zu Ende ging. Die Geschichte geht weiter, ja sie
beginnt ganz neu mit der Zeit nach Ostern: Wir können ganz neu begreifen,
dass da mehr ist als Tod und Verderben, dass da Gott ein "Jetzt erst recht"
in unsere Welt gesprochen hat. Leben trotz allem Tod, Freude gegen alle
Trauer, Kraft gegen alle Schwäche, Energie über jegliches Ausgepumptsein,
unauslöschliches Brennen für die Sache Leben gegen alles Ausbrennen. Wenn
wir das merken und auch leben dann ist für uns Pfingsten geworden.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Roman Angst, Toni Zimmermann
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Weg-Wort vom 9. Juni 2011
Die Menschenmenge und ich
Wie halten Sie es? Tauchen Sie gerne ein in eine Menge von Menschen? Fühlen
Sie sich dann pudelwohl, so nah beieinander, dass Haut und Haut sich fast
berühren? Kommt es vielleicht darauf an, wo das ist? Im Zug, Tram oder Bus,
bei der morgendlichen Fahrt an die Arbeit ist es vielleicht anders als bei
heissem Wetter in der Badeanstalt, anders bei Fussball- und
Eishockeyspielen, bei der Love-Parade Zürich wieder anders und nochmals
anders war es bei der Love-Parade in Duisburg.
Ich gehöre zu denen, die solche Menschenmassen in der Regel meiden. Mir ist
nicht wohl, wenn zu viele Menschen zur gleichen Zeit das Gleiche tun. Da
kann schon geschehen, dass die Masse zum Mob wird.
Wie sehr habe ich da gestaunt, als wir beim Deutschen Evangelischen
Kirchentag in Dresden den gemeinsamen Anfangsgottesdienst gefeiert haben.
Mit Tausenden zu singen, zu beten, Gottesdienst zu feiern, dicht an dicht,
keine Angst vor Panik oder Gewalt. Eine friedliche Stimmung, die mich tief
beeindruckte. Es geht also: In einer Menge einzutauchen und darin sich wohl
und geborgen fühlen, ohne Geschrei und ohne Ekstase. Biblische Bilder werden
wach, besonders beim Thema des Kirchentages, das mitten aus der Bergpredigt
stammt: Denn wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein. (Mt 6, 21).
Bilder, die ich von der Bergpredigt mir mache. Tausende von Menschen hören
dem Einen zu, lassen sich bewegen von seinen Worten:
Sammelt euch nicht Schätze auf Erden, wo Motte und Rost sie zunichte machen
und wo Diebe einbrechen und stehlen! Sammelt euch vielmehr Schätze im
Himmel, wo weder Motte noch Rost sie zunichte machen und wo Diebe nicht
einbrechen und stehlen! Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Weg-Wort vom 6. Juni 2011
Freundschaft mit Jesus
Wenn wir zu Jesus Christus beten, dann rufen wir ihn unter verschiedenen
Namen und Titeln an: Herr, Sohn Gottes, Erlöser. Diese Anrede betont seine
Autorität und Würde. Sie schafft aber auch eine Distanz zwischen ihm und
uns: Er steht ganz oben, auf der Seite Gottes, wir unten, er handelt, er
beschenkt uns, wir empfangen.
Wenn nicht ein anderer Titel dazu käme, der eigentlich gar kein richtiger
Hoheitstitel ist, nämlich der Freundesname. Wenn wir Jesus als Freund
anrufen, dann tönt es manchmal fast kitschig, wie z.B. in gewissen alten
Kirchenliedern: Ich will dich lieben als meinen allerbesten Freund oder
Jesus, Seelenfreund. Nicht so im Neuen Testament. Jesus wird in der Bibel
nur an einigen wenigen Stellen als Freund bezeichnet. Aber diese Stellen
sind so wichtig, dass wir sie uns merken sollten:
Im Lukas-Evangelium ist der Freundesname ein Schimpfwort: Seht, er ist ein
Freund der Zöllner und Sünder. Man hat Jesus häufig in schlechter
Gesellschaft gesehen, weil er sich um die Armen und Aussenseiter angenommen
und mit ihnen gegessen und getrunken hat. Nicht herablassendes Mitleid,
sondern ehrliche Mitfreude führt Jesus zu denen, die nach dem geltenden
Gesetz und nach der Meinung der Frommen abgeschrieben sind. So wird er ihr
Freund und offenbart ihnen die Freundschaft Gottes.
Nach dem Johannes-Evangelium erklärt sich Jesus zum Freund seiner Jünger:
Niemand liebt mehr als der, der sein Leben für seine Freunde einsetzt.
Durch seine Lebenshingabe werden die Jünger für immer zu seinen Freunden.
Und sie bleiben in seiner Freundschaft, wenn sie seinem Beispiel folgen.
Darum nennt sie Jesus nicht mehr Schüler oder Knechte, sondern Freunde. Sie
erfahren ihn jetzt nicht mehr nur als Herr und Meister, sondern als ihren
Freund.
Erfahren wir unsere Beziehung zu Jesus auch als eine Art Freundschaft? Oder
besteht unser Verhältnis zu Jesus nur aus Angst und Respekt? Ist er nur
unser Pannendienst, den wir anrufen, wenn wir nicht mehr weiter kommen?
Jesus möchte nicht nur unser Herr, unser Richter und Erlöser sein, sondern
er möchte unser, dein und mein Freund sein.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi, Beat Schlauri
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Weg-Wort vom 2. Juni 2011
Christi Himmelfahrt
An Auffahrt machen die Männer in meinem Heimatdorf einen "Vatertagsausflug".
Da geht es recht bodenständig zu, mit Christi Himmelfahrt hat das nichts zu
tun. Wie ist das bei Ihnen? Können Sie noch etwas anfangen mit
diesem christlichen Fest?
"Was steht ihr da und schaut zum Himmel?" hörten die Jünger sagen, als Jesus
vor ihren Augen entschwand. (Apg 1,9-11) Nach dem ersten Schock realisieren
die Jünger, dass mit dem Tod die Sache Jesu nicht zu Ende ist. Auch wir
sollen nicht entgeistert zum Himmel starren, losgelöst vom Bezug zu unserem
irdischen Leben, und einzig darauf warten, ob etwas 'von oben' kommt. Würden
wir das tun, blieben wir ohne Verbindung zum Leben spendenden Schöpfer. Wir
wären wie Hors-sol-Pflanzen, künstlich am Leben gehalten allein durch eine
sterile Nährlösung.
Wir müssen mit beiden Beinen auf der Erde stehen. Wir brauchen die
Boden-haftung. Den Himmel verdienen wir uns, indem wir unsere Welt zu einem
Ort machen, an dem wir uns wohl fühlen und freuen können.
Mit der Himmelfahrt, seiner Heimkehr zum Vater, hat Jesus die Enge des
irdischen Lebens gesprengt. Zwar ist damit auch Gottes Eintauchen in die
Geschichte der Menschen endgültig zu Ende. Aber der Gottessohn kann überall
dort sein, wo Menschen in seinem Geist sein Werk fortführen. Denn Himmel ist
letztendlich keine Zeit- und Ortsbestimmung, sondern etwas Personales. Wo
Gott ist, da ist Liebe, und wo Liebe ist, da ist auch der Himmel. Nun ist es
an uns, den Auftrag Jesu in der Welt sichtbar zu machen.
Das Bild von der Himmelfahrt übersteigt zwar unsere Vorstellung, "aber es
steht für die grossartige Hoffnung, dass sich alles, was wir in unserem
Leben durchgemacht haben, bei Gott in Glück verwandeln wird und dass selbst
das schönste Leben durch diese Hoffnung noch reicher und schöner wird."
(Abtprimas Notker Wolf)
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
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