Das Weg-Wort – Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
 
Weg-Wort vom 4. Oktober 2021
 
Gott auslachen
Vor einigen Wochen habe ich geschrieben, dass mich die biblischen Vorstellungen von Gott immer wieder faszinieren. Sie sind reich an unterschiedlichsten Facetten und überraschen stets neu. So auch in einer Erzählung über Abraham im Ersten Testament. Abraham sitzt vor seinem Zelt und wird wie aus dem Nichts von drei Männern besucht. Oder ist es einer? Der biblische Text wechselt ständig zwischen der ersten und der dritten Person. Einmal heisst es: «Da sprachen sie zu ihm: Wo ist Sara, deine Frau?» Im unmittelbar folgenden Satz lesen wir: «Da sprach er: Fürwahr, übers Jahr werde ich wieder zu dir kommen. Dann hat Sara, deine Frau, einen Sohn.» Und etwas später sogar: «Da sprach der Herr zu Abraham: Warum lacht Sara und sagt: Sollte ich wirklich noch gebären können, da ich doch schon alt bin?»
Die Identität dieses Besuchswesens bleibt seltsam mehrdeutig und unfassbar. Sind es Männer, Engel, oder ist es gar Gott?
Und noch befremdlicher ist, was es Abraham und seiner Frau mitteilt. Obwohl die beiden hochbetagt sind, sollen sie endlich das lang ersehnte Kind bekommen. Da kann Sara, die im Zelt mithört, nur lachen. Der Besuch beharrt aber darauf, dass für Gott nichts unmöglich sei. Und wirklich erzählt die Geschichte, dass Sara schwanger wird und den Isaak gebiert.
Nein, in einem historischen Sinn ist diese Erzählung natürlich nicht wahr! Sie ist so nicht geschehen. Zu mir spricht sie in einem symbolischen Sinn: Sie erinnert mich daran, wie oft ich schon etwas für unveränderbar, wie häufig ich Ideen anderer für unrealisierbar gehalten und abgetan habe – um hinterher eines Besseren belehrt zu werden.
Gott als die Wesenheit in meinem Leben, die mein Denken weitet und mir ungeahnte Möglichkeiten eröffnet. Davon erzählt die Geschichte. Und davon, dass dieser Gott schon in sich mehrere Möglichkeiten enthält: Einer, drei, Mensch, Engel… Ein überraschender Gott. Manchmal muss man einfach über ihn/sie lachen.
Mit freundlichen Grüssen
 
Ihre Bahnhofkirche

Abbildung: Juan van der Hamen y León, Abraham und die drei Engel, 17. Jh, Privatsammlung. Quelle: Wikimedia Commons
 
 
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