Weg-Wort vom 9. Juni 2006
Zuflucht suchen bei Gott (Psalm 11)
Mein Verhältnis zu Gott ist kein einfaches. Ich verstehe ihn häufig nicht.
Wir kennen alle Gefühlslagen in unserem Umgang miteinander. Manchmal lachen
wir, sind wir still, manchmal haben wir laute Diskussionen, und manchmal
schlagen wir einander die Türe zu. Ich schlucke nicht alles von ihm, und er
schluckt nicht alles von mir.
Das letzte Gefecht, das wir miteinander ausgetragen haben, war das wegen
eines befreundeten Ehepaares und ihrem Erleben. Sie sind älter als ich und
schon lange Grosseltern. Aber ihre Familiengeschichte ist neben viel Glück
und Erfüllung durchlöchert von unsäglichen Schicksalsschlägen. Zuletzt muss
ein Neffe bei einem Terroranschlag sterben. Die Lasten, die sie zu tragen
haben, sind schwer, an gewissen Tagen unendlich schwer.
Miteinander hadern wir mit Gott, klagen wir ihm die Ungerechtigkeit, die wir
spüren: Seht doch, gemeine Burschen spannen den Bogen, ihre Pfeile liegen
schussbereit auf der Sehne. Sie wollen die Ehrlichen heimlich erschiessen.
Wenn die Grundordnung zerstört wird, was kann da ein Gerechter tun? (Ps
11.2f)
Mir, uns ist diese direkte Auseinandersetzung mit Gott wichtig. Sie hilft
uns, die Hoffnung nicht zu verlieren und auch den Glauben und das Vertrauen!
Wir erleben vieles und verstehen das Wenigste. Wir freuen uns und wir
leiden. Wir klagen und wir loben. Und dabei geben wir ihn, Gott, nicht auf.
Im Gegenteil:
Beim Herrn suchen wir Zuflucht. ... Denn der Herr ist gerecht. (Ps 11.1a
und 7a). Auch wenn wir ihn nicht immer verstehen, wir geben ihn nicht auf:
Er liebt die Rechtschaffenheit. Die Aufrichtigen (auch ihren Gefühlen
gegenüber) werden ihn selbst schauen! (Ps 11.7)
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
www.bahnhofkirche.ch
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Hans-Ruedi Rüfenacht
Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche