Das Weg-Wort – Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich
Weg-Wort vom 28. Januar 2021
Trost der Musik
Zurzeit ist im Internet ein Videoclip beliebt, der von einem 26-jährigen Mann über die Anwendung Tic Toc veröffentlicht wurde. Nathan Evans, ein junger schottischer Postbote, stimmt dort „Soon may the Wellerman come“ an, ein Seemannslied aus Neuseeland,
das von den Mühen auf einem Walfangschiff erzählt, von der Aussicht auf Versorgung mit Zucker, Tee und Rum und von der Hoffnung, die strapaziöse Arbeit beenden und heim gehen zu können.
Das bloss eine Minute lange Video von Nathan Evans erlangte rasch eine unerwartete Bekanntheit. Tausende von Menschen hörten es sich an, und es blieb nicht dabei: Bald fanden sich in Tic Toc weitere junge Leute, die dem Song ihre eigene Stimme hinzufügten,
das Lied mit einem Instrument begleiteten oder die verschiedenen Stimmen neu arrangierten. So entstand ein Gemeinschaftswerk, das noch mehr an Popularität gewann.
Das Musikstück berührt mich irgendwie, und ich werde nicht müde, es anzuhören. Liegt es an der Geschichte von den ausgebeuteten Seeleuten, die für einen geringen Lohn schuften und die Entbehrungen auf See auf sich nehmen mussten? Liegt es an den jungen
Menschen, die in dieser Zeit voller Einschränkungen so ein Werk gemeinsam zustande gebracht haben?
Besonders liegt es wohl an der Musik selbst, die mehr ist als blosse Unterhaltung. Das Seemannslied transportiert Hoffnung und Trost, und erhält in aller Mühsal einen Funken Freude lebendig, so wie die Gospelsongs, welche die Sklaverei beklagen und zugleich
die Hoffnung auf Befreiung hochhalten. Mich berührt, wie in Tic Toc junge Menschen dieser Krisenzeit trotzen, und mit dem Singen eines alten Lieds Ermutigung für uns heute ausstrahlen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
© Ökumenische Bahnhofkirche im Hauptbahnhof Zürich