Weg-Wort vom 5. Februar 2009-02-05
Nun sag: Wie hast Dus mit der Religion?
Das ist die berühmte Frage, die Gretchen dem Faust stellt. Weil Faust mit
gepflegten Worten sich der Frage zu entziehen versucht, fragt Gretchen ihn
direkt: Glaubst du an Gott?
Gretchen will wissen was Faust glaubt, bevor sie ihn an sich heranlässt. Sie
ist vorsichtig und will wissen, ob er ihre Werte teilt. Denn geteilte Werte
sind ein gutes Fundament für eine Beziehung.
Wenn wir wissen, was einer Person heilig ist, dann können wir besser
abschätzen, mit wem wir es zu tun haben. Teilen wir Werte, dann fällt es
leichter uns zu vertrauen uns auf eine Beziehung einzulassen. Wir dürfen
annehmen, dass wir uns gegenseitig respektieren und darum weniger verletzen.
Aber wer gibt gerne preis, was ihn oder sie im Tiefsten beschäftigt? Das ist
sehr privat und äusserst kostbar für jede Person. Um sich gegenüber andern
zu öffnen, braucht es Geborgenheit und Vertrauen. Dort wo man selber
Bedenken hat, ist es auch ratsam zurückhaltend zu sein.
So spricht man kaum je über den eigenen Glauben. Menschen, die sich dazu
äussern, befremden uns meistens. Es ist uns peinlich, weil sie es wagen über
das zu reden, was uns selbst tabu ist.
Tabu ist etwas, das wir nicht berühren wollen, weil es für uns negative
Auswirkungen haben könnte. So wird ein Tabu zu einer ungeschriebenen Regel
in einer Beziehung oder in der Gesellschaft.
Das Tabu, nicht den persönlichen Glauben preiszugeben, ist bei uns so stark,
dass selbst in kirchlichen Kreisen kaum für das gemeinsame Gelingen bei
einem Projekt gebetet wird. Lieber liest man irgendeinen philosophischen
Text zur Einstimmung, das ist unverfänglicher. Für das gemeinsame Gebet
verweist man auf den Gottesdienst: Dort wahrt die liturgische Sprache die
Distanz und berührt uns dadurch weniger.
Warum ist es so unbequem, wenn jemand seinen Glauben offen bekennt? Könnte
es sein, dass uns im Vergleich etwas fehlt? Ich meine, es mangelt meist
nicht am Glauben, sondern es ist die Scham darüber, den Glauben so lau zu
leben. Denn was die Menschen beschämt, das belegen sie mit einem Tabu.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Beat Schlauri
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