Weg-Wort vom 1. Dezember 2009
Klugheit ist gefragt
Klugheit ist zwar eine der grossen christlichen Tugenden doch wird heute
selten von ihr gesprochen. Vielleicht Ausdruck einer eher unklugen Zeit?
Es ist zum Beispiel unklug, nur das zu sehen, was man sehen will. Es kann
unklug sein, etwas zu tun, nur weil andere es auch tun. Allzu massvoll zu
sein ist genauso unklug wie Masslosigkeit
Was aber ist Klugheit? Klug handelt, wer in einer Situation das Bestmögliche
erreichen will, der Massstab aber nicht primär der Erfolg, sondern das
Verantwortbare ist und das, was allen beteiligten Komponenten angemessen
ist.
Ist es zum Beispiel gerade in der Vorweihnachtszeit verantwortbar,
unseren Kindern Geschenke zu kaufen, die vielleicht durch Kinderarbeit oder
unter menschenunwürdigen, krankmachenden, sozial- und umweltschädlichen
Bedingungen hergestellt wurden? Dürfen wir das den Ausgebeuteten, unseren
Kindern und uns selbst zumuten?
Ist es klug, gewissen Bankern, die eine der grössten Wirtschaftskrisen
verursach-ten, unter der vor allem die Ärmsten zu leiden haben, Millionen an
Boni zu zahlen, nur damit sie vermeintlich nicht zur Konkurrenz gehen? Sie
werden uns vielleicht dankend in die nächste Krise führen.
Die Klugheit ist nicht auf egoistische und kurzfristige Erfolge aus. Sie
schaut vielmehr mit offenem, unverfälschtem Blick genau hin auf das, was
ist. Sie bezieht alle Aspekte einer gegebenen Situation ganzheitlich in ihre
Entscheidung mit ein. Ihr gutes Gedächtnis unterstützt sie, nicht
leichtfertig aufs Spiel zu setzen, was es zu bewahren gilt. Ihr
weitsichtiges und langfristiges Denken vermag das Unaufgebbare vom
Verkrusteten zu unterscheiden und ihm eine neue Zukunft jenseits
überlieferter Formen zuzutrauen. Sie ist zudem offen für neue und ganz
andere Sichtweisen.
Die Klugheit benötigt Raum und Zeit, um genau hinschauen zu können, alle
Aspekte zu bedenken, Unterscheidungen zu treffen, die wahren Relationen zu
erkennen und die tiefere, ganzheitliche Dimension von allem zu erfassen.
Die Klugheit braucht darum vor allem spirituelle Menschen, die in der Lage
sind, diesen Raum der Ruhe, des Bedenkens und der tieferen Dimension allen
Lebens offen zu halten.
Wenn wir in und aus dieser spirituellen Haltung heraus leben, dürfen wir
darauf ver-trauen, dass auch Gottes Geist uns immer wieder dazu anleitet,
klug zu entscheiden und zu handeln.
Gerade unsere heutige Zeit benötigt ein grosses Mass an klugen und mutigen
Menschen!
Wir wünschen Ihnen einen guten und gesegneten Tag!
Die Seelsorger und Seelsorgerinnen der Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Iris Daus, Susanne Wey
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Hauptbahnhof Zürich
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