Das Weg-Wort – Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich
Weg-Wort vom 28. Juli 2021
Achtsam
Neulich las ich in einem Text folgende Aufforderung: Wer immer mit der Natur interagiert, soll zuerst um Erlaubnis bitten, beim Abschneiden eines
Astes oder Ernten einer Frucht, beim Pflücken einer Blume, beim Nehmen eines Steins aus einem Fluss, beim Besteigen eines Berges oder Betreten eines Waldes. Jedes Lebewesen, jedes Ding habe einen eigenen «Spirit», sei auf irgendeine Weise beseelt, und so wie
wir mit der Natur umgingen, so werde die Natur wiederum auf uns reagieren.
Die Sichtweise des sogenannten Animismus ist insbesondere in ursprünglichen Kulturen zu Hause. Seit einiger Zeit kommt dieses Denken vermehrt unter
uns bei Menschen auf, die schamanisch inspiriert sind oder sich sogar als Schamanen verstehen.
Der aufgeklärte Verstand hat sich seit Langem zur Aufgabe gemacht, den Animismus, die Angst vor den Naturgeistern und die Einengung durch Religionen
zu überwinden. Was als Akt der Emanzipation begann, entwickelte sich bald zur umfassenden Beherrschung und Ausbeutung der Natur, mit all den wohlbekannten Konsequenzen. Das Christentum hat daran mitgewirkt durch die Aufforderung, sich die Erde untertan zu
machen.
Auf dem Hintergrund solcher Überheblichkeit ist es verständlich, dass Menschen den Animismus wiederentdecken und bewusst die Haltung leben wollen,
dass alle Wesen derselben Schöpfungswirklichkeit angehören und als Mitgeschöpfe Aufmerksamkeit, Respekt und Schonung verdienen. Es lohnt sich unabhängig von jeglicher Weltanschauung, ganz achtsam mit der Natur umzugehen. Dadurch werden wir mit neuem Staunen
und Dankbarkeit beschenkt, wir werden zugleich liebevoller zu unseren Mitmenschen und zu uns selbst und wirken mit am Heilwerden der ganzen Schöpfung.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
Bild von Larisa Koshkina auf Pixabay
© Ökumenische Bahnhofkirche im Hauptbahnhof Zürich
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