Weg-Wort vom 7. Juli 2006
Angesteckt mit Leben
In vielen Kirchen finden sich grossartige Gemälde zum letzten Gericht.
Christus wird als Weltenrichter auf dem Thron gezeigt, der die einen zum
ewigen Heil annimmt, die andern zum Verderben verbannt. Viele Menschen sind
immer noch geprägt von einem Gottesbild, in dem Gott alles ganz genau
beobachtet, alles merkt, was angestellt wird und dafür bestraft. Ein solches
Gottesbild führt Menschen dazu, dass sie ängstlich versuchen, ein braves
Leben zu führen. Sie sind bemüht, ja nichts falsch zu machen, kein Risiko
einzugehen und Vorschriften getreulich einzuhalten. Aber ist Gott so?
Jesus hat in seinem Wirken die Botschaft vom Leben in die Mitte gerückt und
damit gezeigt, dass es Gott um gelingendes Leben geht. Er will, dass wir
glücklich sind. Darum richtet uns Gott aber anders, als wir das spontan
denken. Wenn er uns richtet, richtet er uns aus auf unser Wohl und unser
Glück. So ist Gott einer, der unser Leben gerade richtet, wenn etwas
missraten ist, der uns aufrichtet, wenn wir nicht weiter können. Von ihm
auf- und ausgerichtet, werden wir mit Leben angesteckt. Der Schriftsteller
Joachim Dachsel hat solche Gedanken in einem Gedicht festgehalten. Er
schreibt:
An jenem Tage
der kein Tag mehr ist
vielleicht wird Gott sagen:
Was tretet ihr an
mit euren Körbchen voller Verdienste,
die klein sind wie Haselnüsse
und meistens hohl?
Was wollt ihr
mit euren Taschen voller Tugenden,
zu denen ihr gekommen seid
aus Mangel an Mut,
weil euch Gelegenheit fehlte
oder durch fast perfekte Dressur?
Habe ich euch
davon nicht befreit?
Wissen will ich:
Habt ihr die anderen
angesteckt mit Leben?
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
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Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Hans-Ruedi Rüfenacht
Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche