Weg-Wort vom 17. Juli 2008
Im Neuen Testament fällt auf, dass Jesus Menschen, mit denen er in Kontakt
ist oder tritt, gern eine Frage stellt. Was soll ich dir tun?, fragt er
den Blinden Bartimäus. Was sucht ihr?, fragt er zwei Männer, die hinter
ihm her gehen. Seine Jünger fragt er: Für wen haltet ihr mich? Warum habt
ihr solche Angst? Worüber habt ihr unterwegs gesprochen? Versteht ihr,
was ich euch getan habe?
Das alles sind nicht Fragen nach einer Information. Es ist überflüssig,
einen Blinden zu fragen: Was soll ich dir tun? Ein Blinder will doch
nichts anderes als geheilt werden.
Jesu Fragen wollen den Menschen zu sich selbst führen. Der Mensch soll
seiner tiefsten Sehnsucht auf die Spur kommen. Seine Fragen lassen keine
allgemeine, unpersönliche Antwort zu; sie legen frei, was als tiefste
Sehnsucht im ganz persönlichen Leben eines Menschen da ist. Jesus fordert
die Menschen geradezu heraus, um das zu bitten, wonach sie sich in ihrem
Herzen sehnen. Sie können und dürfen ihre Sehnsucht ausdrücken, - eine
Sehnsucht, die tief in ihnen ist, die sie aber im Alltag selten erfahren,
weil sie von vielen Dingen überdeckt bleibt und deshalb oft gar nicht
bewusst wahrgenommen wird.
Jesu Fragen lassen oft auch keine schnelle Antwort zu. Seine Fragen
enthalten ein Werben, sich auf seine Botschaft einzulassen. Jesus will den
Menschen auf einen Weg bringen, den er selber mitwandert, um den Befragten
immer mehr und mehr in sein Geheimnis einzuweisen. Seine Fragen laden den
Menschen ein zur Begegnung mit ihm, zu dem immer neuen Versuch, das eigene
Leben mit dem seinen zu verflechten.
Jesu Fragen sind auch Lebensfragen an uns: Was soll ich dir tun? Warum hast
du solche Angst? Für wen hältst du mich? Indem wir uns seinen Fragen
stellen, versuchen wir in tastenden Schritten seinen Erwartungen und
Zumutungen entgegenzugehen. Wir dürfen hoffen, dass er unser Bemühen um
Antwort auf seine Fragen mit einer Vertiefung der Freundschaft beschenkt.
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Hauptbahnhof Zürich
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Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche