Weg-Wort vom 11. Februar 2010
Anfang und Ende
Wüsste ich, dass ich sterben könnte, wann immer ich wollte, wäre jeder Tag
so kostbar wie eine Million
Pfund. Denn wenn ich wüsste, dass ich sterben könnte, würde ich leben.
Als ich diese Zeilen lese, bin ich verwirrt, bin hin- und hergerissen
zwischen den unterschiedlichsten Gefühlen. Die Aussage des britischen
Fantasy-Autors Terry Pratchett, der an Alzheimer leidet und in
Gross-britannien das Recht auf Sterbehilfe fordert, treibt mich um,
beschäftigt mich und lässt mich nicht mehr los. Diese seine Sicht auf das
Leben weicht meine bisherige Perspektive auf. Und so kommt es, dass all die
verschiedenen Begriffe einen Platz beanspruchen in meinem Denken: Leben in
Würde Sterben in Würde selbstbestimmtes Leben
und selbstbestimmtes Sterben Ethik Palliativmedizin Hospiz
Abhängigkeit Ausweg Sterbebegleitung - Sterbehilfe - Exit.
Laut namhaften Juristen ist das Recht, über Art und Zeitpunkt des eigenen
Todes zu entscheiden, das letzte Menschenrecht. Soll der Mensch alles tun,
was er möchte? Gibt es denn so etwas wie unnötiges Leiden? Und was ist mit
der Angst vor dem Leiden und der Angst vor einem Leben in absoluter
Abhängigkeit und Fremdbestimmung, ausgelöst zum Beispiel durch die Diagnose
Alzheimer? Was mit der Angst vor dem Ausgeschlossen sein von der Teilnahme
am sozialen Leben durch hohe Morphiumdosen gegen Schmerzen oder durch
Tetraplegie?
Für Terry Pratchett ist sein Leben offenbar eine einzige Qual. Wäre es ihm
erlaubt, sein Lebensende selbst zu bestimmen, würde er, so sagt er, leben.
Hier aber setzt wieder meine Irritation ein. Warum vergleicht er einen
kostbaren Lebenstag mit einer Riesensumme Geld? Gibt es für ihn keinen
anderen Schatz? Was heisst überhaupt Leben in Würde und Sterben in
Würde? Ich möchte nicht, dass meine krebskranke Freundin durch Exit
stirbt, sagte letzthin ganz verzweifelt eine Frau. Wie würde ich wohl in
einer Extremsituation meines Lebens entscheiden? Wäre mein Vertrauen gross
genug, dass ich dieses Leben auskosten wollte bis ans mir gesetzte
Lebensende? Was ich glaube: Gott ist der Anfang, und er ist das Ende.
Vielleicht sind alle Angst und alle Unsicherheit dazu da, uns auf einen Weg
zu bringen, an dessen Ziel wir hoffentlich eines Tages wie der Psalmist
beten können: Gott, worauf soll ich hoffen? Auf dich allein will ich
setzen. Hör mein Gebet, schweig nicht zu meinen Tränen. (Ps 39,8.13)
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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