Weg-Wort vom 19. Januar 2010
Wurzeln
Kennen Sie noch Menschen, die am gleichen Ort geboren und aufgewachsen sind,
zur Schule gegangen, geheiratet haben, ein ganzes Leben dort verbracht und
in dem Haus gestorben sind, in dem er oder sie auf die Welt gekommen ist.
Sie sind selten geworden in unserer Zeit, in der Bewegung ganz gross
geschrieben ist. Und doch wissen wir, dass Wurzeln haben und verwurzelt sein
ein grosses Gut ist.
Nur, wie gehen wir in unserer Mobilitätsgesellschaft mit unserem
Flexibilitätswahn damit um. Es hat fast schon System, Menschen in Trab zu
halten. Entschuldigung, natürlich in Bewegung und Bewegung ist gesund
wenigstens zu Fuss. Aber, wer so auf Trab gehalten wird wie wir, der kann
vom politischen oder wirtschaftlichen Wind einfach mal dahin oder mal
dorthin getragen werden und meint oftmals, dass es ein gewollter
Standortwechsel gewesen sei. Wer nicht mehr verwurzelt ist, ist wie
Flugsand, wie eine Schneeverwehung.
Wollen wir das denn, so ohne Verwurzelung sein. Eigentlich nicht, denn wer
ohne Wurzeln ist, steht einfach in Gefahr herum geschubst zu werden. Und
dann frage ich mich, wo kann einer in einer solch bewegten Zeit, mit einem
äusserst bewegten Leben verwurzelt sein, damit er sich nicht verliert.
Bleibt Gott die einzig vernünftige Lösung?
Grundsätzlich kann ich als Mensch, als Baum, als Pflanze nur dort wurzeln,
wo ich auch den passenden Boden, die rechte Nahrungszufuhr und auch die
entsprechend hilfreichen Licht- und Wetterbedingungen habe. Und zudem denke
ich beim Wort Wurzeln an den einen Standort, dem ich verbunden bleibe
das widerspricht völlig dem Musst halt flexibel sein oder dem stolzen Ich
bin halt flexibel.
Jesaja sagt einmal: Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht! Gott ist in der
israelitischen Erfahrung der, der mitgeht: Einer also, der in der
persönlichen Geschichte, wie auch in derjenigen des Volkes, sich als der
Gott erweist, der nicht einem Ort verpflichtet ist, sondern seinen Menschen.
Er ist und bleibt bei ihnen. Sind meine Wurzeln in Gott und geht der mit,
kann mich so mancher Sturm nicht aus der Fassung bringen, nicht entwurzeln,
meine Bodenhaftung ist eine ganz andere und die Wogen dieser Welt können
mich nicht mehr so sehr ängstigen. Ich habe meinen Boden, in dem ich wurzle
eigentlich ganz vernünftig: Ich glaube, darum bleibe ich: standhaft,
orientiert, verwurzelt aber auch widerständig dieser Welt gegenüber.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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