Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 10. November 2021
Ein Bild statt tausend Worte
Dieser Moment ist in die Geschichte eingegangen. Der deutsche Bundeskanzler Willy Brandt
besucht 1970 Warschau und legt einen Kranz am Ehrenmal für die Toten des Warschauer
Ghettos nieder. Spontan sinkt er auf die Knie und verharrt mit gefalteten Händen.
Brandt war erst ein Jahr zuvor Kanzler geworden und trieb - 25 Jahre nach Ende des Krieges
und des Massenmordes an jüdischen Menschen - die Versöhnung mit den ehemaligen Feinden im
Osten voran. Dies trug wesentlich zur Aussöhnung in Europa und zur Entspannung im Kalten
Krieg bei.
Viel wurde über diese Politik debattiert, gestritten und geschrieben. Verträge mit der
Sowjetunion, Polen, der DDR wurden unterzeichnet. Aber nichts hat sich stärker in die
Erinnerung eingeprägt als dieses Bild. Ein einziger kurzer Augenblick ohne Worte. Aber er
sagt mehr als tausend Worte. Eben ein Augen-Blick: Etwas, das wir sehen und dessen
Bedeutung wir sofort erfassen: Reue, Anerkennung der Schuld Deutschlands, Bitte um
Vergebung.
Das war vorher in dieser Klarheit nie zum Ausdruck gebracht worden. Der Kniefall steht für
eine Zeitenwende.
Selten erwähnt wird, dass die Geste wohl auch deshalb so stark wirken konnte, weil sie an
etwas Bekanntes anknüpft. Brandt nimmt eine Gebetshaltung ein: Niederkniend, mit
gefalteten Händen und leicht geneigtem Kopf. Und Reue, Bitte um Vergebung sowie Umkehr
sind urreligiöse Themen. Hier haben sie im politischen Kontext ihre ganze Kraft entfaltet.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
Foto: bpk Bildagentur/Hanns Hubmann
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