Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!

 

Weg-Wort vom 8.11.2018

Gesegnet

Von einem Menschen Abschied nehmen ist nicht leicht. Das ist eine Binsenwahrheit. Aber wie oft machen wir uns etwas vor.

Die Krebsdiagnose der Freundin macht zwar betroffen, aber da sind ja noch Therapiemöglichkeiten. Chemotherapie, Bestrahlung, dann Pause, Hoffnung dass der Krebs sein Wachstum verlangsamt, Freude, wenn die Therapie anschlägt. Die Begegnungen werden irgendwie inniger, man weiss ja nie. Aber man ist zuversichtlich, bis zum Tag der neuen Diagnose: Metastasen. Ein Hammer, aber wir geben nicht auf! Neue Chemotherapie, neue Bestrahlung, wir kämpfen.

Irgendwann lassen die Kräfte nach. Der Prozess des Loslassens beginnt. Alle müssen loslassen, Patientin und Angehörige, Pflegende und Freunde. Und immer wieder die Hoffnung: wir schaffen das.

Besuche, Telefonate, immer schwingt die Hoffnung und Zuversicht oben auf. Mach ich mir etwas vor?

Dann der Anruf: ich bin jetzt palliativ, man kann nichts mehr machen. Ich kann oder will es nicht fassen. Ich setz mich in den Zug und fahr quer durch die Schweiz. Als ich ankomme sitzt sie im Rollstuhl und lächelt mich an: schön dass du kommst. Wir tauschen Erinnerungen von früher aus, Erlebnisse als junge Erwachsene. Bei mir kommt Dankbarkeit auf, für die vielen gemeinsamen Stunden und Erlebnisse.

Ich muss gehen, inzwischen sind auch schon weitere Besucher gekommen, alle wollen Abschied nehmen. Ich drücke ihre Hand und sage: behüte dich Gott. - Dich auch, sagt sie.

Mit feuchten Augen verlasse ich das Zimmer, aber was bleibt ist Dankbarkeit und die Gewissheit, dass wir beide Gesegnete sind.

 

 

Mit freundlichen Grüssen

 

Ihre Bahnhofkirche

 

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