Das Weg-Wort – Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 12. Oktober 2021
Herumhängen
Ein städtischer Busbahnhof in einem wirtschaftlich schwachen Land: Menschentrauben, Berge von Gepäck, laute Gespräche. Rundherum ein Markt: Stände mit Gemüse, Früchten, Kleidern...
Hinter vielen Ständen sitzen mindestens zwei Personen. Auch Menschen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen trifft man hier. Sie helfen mit, so gut sie können. Sie treffen andere Menschen, reden oder schauen dem bunten Treiben einfach zu. Es braucht
keine tolle Ausbildung, um hier mitarbeiten zu können. Natürlich gibt es auch kein grosses Verdienst. Aber man hat ja noch Familienangehörige, die auch ein bisschen verdienen. Irgendwie geht es schon.
Sicher, solches Wirtschaften ist alles andere als effizient. Unsere hochspezialisierte, arbeitsteilige Wirtschaft produziert mehr, schneller und vielfältiger. Unser Wohlstand verdankt sich unter anderem solcher Wirtschaft und guter Ausbildungen. Nur dass Menschen,
die mehrheitlich herumhängen und wenig leisten, in ihr keinen Platz haben. Sie verursachen ja vor allem Kosten.
Mich beeindruckt, dass es in anderen Ländern möglich ist, genau solchen Menschen eine Aufgabe zu geben. So wird Randständigkeit vermieden. Was haben wir dagegen zu bieten? IV, Sozialdienst, Beschäftigungsprogramme…
Und sonst? Herumhängen auf Bahnhöfen, Flughäfen, Plätzen. Aber ohne anerkannte Tätigkeit, nicht als Teil des Ganzen, sondern am Rand. Was es viel zu wenig gibt, sind Nischenorte, Arbeiten, die nicht effizient, aber sinnvoll sind und die wir uns als Gesellschaft
leisten, weil nicht jede und jeder für eine Leistungsgesellschaft gemacht ist.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
Foto: Accra Central, Accra, Ghana, 2019. Muntaka Chasant. Quelle: Wikimedia Commons
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Ökumenische Bahnhofkirche im Hauptbahnhof Zürich
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