Weg-Wort vom 24. März 2009
Fasten eine Einübung in die innere Freiheit
Am Beispiel des Fastens zeigt der Benediktiner Mönch Anselm Grün auf, wie
Verzichten auch heute ein Weg in die innere Freiheit und zur persönlichen
Würde sein kann:
Die Fastenzeit, zu der uns die Kirche jährlich einlädt, hat den Sinn, dass
wir uns jedes Jahr wenigstens sieben Wochen lang bewusst in die innere
Freiheit einüben. Zunächst ist der Verzicht ein Test, ob wir wirklich frei
sind.
Wir alle sind heute von vielen Süchten beherrscht. Indem ich während der
Fastenzeit auf Alkohol oder Fleisch oder Kaffee verzichte, teste ich mich,
ob ich süchtig bin oder noch frei, ob ich noch selbst bestimmen kann, was
ich essen und trinken möchte, oder ob ich das Bier oder den Kaffee einfach
brauche.
Sucht macht abhängig, und diese Abhängigkeit ist gegen unsere Würde. Im
Verzicht wollen wir unsere eigene Würde und die eigene Freiheit als Ausdruck
dieser Würde erleben. Wir wollen uns beweisen, dass wir noch selbst über uns
verfügen können, dass wir nicht über uns verfügen lassen.
Die Selbstverfügung, die Autarkie, ist ein wichtiger Begriff der
griechischen Freiheitsidee. Gegenüber der relativen Freiheit, der Freiheit
von Bindungen, Ängsten, Zwängen und Abhängigkeiten, bezeichnet die Autarkie
die positive Freiheit, die darin besteht, sich selbst zu besitzen, über sich
selbst zu verfügen. Der Verzicht ist ein Test dafür, dass wir
noch selber
leben, anstatt gelebt zu werden
Der Verzicht, den wir im Fasten üben, ist aber nicht nur ein Weg in die
Freiheit, sondern auch Ausdruck unserer Freiheit. Wir müssen Gott mit
unserem Verzicht nichts beweisen. Wir müssen keine Leistung vollbringen,
damit wir uns gut fühlen.
Fasten als Verzicht ist vielmehr Ausdruck dafür, dass wir Gott gehören und
nicht der Welt, dass wir uns selbst gehören und nicht unseren Leidenschaften
und Süchten, unseren Bedürfnissen und Wünschen.
Wir wünschen Ihnen einen guten und gesegneten Tag!
Die Seelsorger und Seelsorgerinnen der Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Beat Schlauri, Susanne Wey
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