Weg-Wort vom 12. Dezember 2008
Innerer Reichtum
Die Regale der Läden sind voll. Die Kauflust der Menschen ungebrochen in
dieser vorweihnächtlichen Zeit. Wohlstand herrscht, trotz Finanzkrise.
Ich lasse mich immer wieder gern einnehmen von den bunten Marktständen, von
den vielen Lichtern und Kerzen, vom vielfältigen Duft der Kräuter und
Backwaren und von der leisen, weihnächtlichen Musik. Für mich liegt eine Art
Zauber über dieser Vorweihnachtszeit, den mir keine noch so grosse Hektik
oder geschäftiger Rummel nehmen kann.
Es ist ein Zauber, der vor allem meine Sinne und meine Seele anspricht. Er
unterbricht immer wieder meinen gewohnten Alltag und mein geschäftiges Tun
und - er verändert mich. Er macht mich empfindsamer, weicher, offener,
sinnlicher und auch besinnlicher.
Ich halte vermehrt inne. Überlasse mich meinem sinnlichen Empfinden, dem
Hören, Sehen, Riechen, Schmecken, Fühlen. Ich spüre mich ganzheitlicher,
körperlich und seelisch lust- und freudvoller. Ich denke mehr nach über
mich, mein Empfinden und meine Gefühle, was mich bewegt und beschäftigt.
Ich bin dankbar über den Wohlstand, in dem ich lebe, über die vielen schönen
Dinge, die mich umgeben. Gleichzeitig verspüre ich, wie mir der innere,
seelische Wohlstand immer wichtiger wird. Wenn ich mich zum Beispiel auf
mich selbst einlasse, in mich hinein gehe und ganz bei mir bin, erfahre ich
oft eine tiefe innere Ruhe und einen umfassenden Frieden.
Gerade im Advent wird mir immer wieder neu bewusst, dass ich genauso wie für
den äusseren auch für meinen inneren Wohlstand etwas tun muss. Und dass ich
den äusseren Wohlstand nur soweit wirklich geniessen und mich an ihm
erfreuen kann, wie ihm ein innerer, seelischer Wohlstand entspricht. Das
breite sinnliche Angebot der Adventszeit schenkt mir viele besinnliche
Gelegenheiten, meinen inneren Reichtum zu pflegen und zu mehren.
So suche ich zum Beispiel vermehrt die Stille. Ich gehe für kurze Zeit
innerlich auf Distanz zum geschäftigen Treiben um mich herum. In der inneren
Ruhe kann ich aufatmen, loslassen und ganz bei mir sein. Hier bin ich frei
von allen Erwartungen und Ansprüchen. Hier komme ich mit meinem wahren Wesen
in Berührung.
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Hauptbahnhof Zürich
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
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