Weg-Wort vom 30. September 2008
Andacht
"Mit Andacht lies, und dich wird jedes Buch erbauen; Mit Andacht schau, und
du wirst lauter Wunder schauen; Mit Andacht sprich nur, und man hört dir zu
andächtig; mit Andacht bist du stark, und ohn' Andacht ohnmächtig." -
Friedrich Rückert, Die Weisheit des Brahmanen X, 98
Andächtige in Gott! So begrüsste der Pfarrer vor 200 Jahren die Gemeinde im
Gottesdienst. Andächtige - das wäre wohl auch die passende Anrede für die
Besucher und Besuchrinnen unserer Kapelle.
Das Geheimnis des andächtigen Seins ist, an etwas teilzuhaben, obwohl
äusserlich scheinbar nichts geschieht. Dort wo wir auf Menschen treffen die
Ähnliches erfahren, wird das eigene Erleben bestätigt. Damit festigt sich
die Gewissheit - Gott ist da, auch wenn ich ihn im Moment nicht spüre.
Frauen und Männer gehen in Kirchen um andächtig vor Gott zu treten, wenn sie
sich nach ihm sehnen. Der Ort der Andacht verbindet sie mit Menschen die
dasselbe tun. Im Wissen, mit all den andern, die das irgendwo auf der Welt
auch Gott suchen, zur Gemeinschaft der Andächtigen zu gehören.
Mit andächtigen Menschen geschieht etwas. Sie bekommen Rat, finden Antworten
auf brennende Fragen, obwohl sie mit keinem Menschen sprechen.
Andacht kann für uns alle das Fundament für das Lebenshaus sein. Man kann
diese Haltung einüben, bis sie zur Lebenshaltung wird. Es ist dann so, wie
wenn wir uns eine unsichtbare Brille aufsetzten. Durch sie können wir den
Reichtum und die Wunder des Lebens klarer erkennen. Diese lassen uns immer
wieder von Neuem erstaunen und im Staunen sind wir Gott schon viel naher.
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
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Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche