Weg-Wort vom 25. Mai 2006 - Christi Himmelfahrt
Ein froh- und mutmachender Abschied
Es gibt Abschiede in unserem Leben, die uns allen Mut nehmen, weiterzuleben.
Wenn der Tod ein Ehepaar, das ein Leben lang Freud und Leid miteinander
geteilt hat, auseinander reisst, kann man bisweilen vom überlebenden Teil
hören: Am liebsten möchte auch ich sterben. Auch der Tod einer Freundschaft
oder einer Ehe kann so viele Hoffnungen zerstören, dass Menschen keinen
Lebensmut mehr haben. Es bedarf anstrengender Arbeit, bis das Tor zu neuem
Leben gefunden ist.
Es gibt aber auch Abschiede, die Mut zum Leben machen. Ich denke an
Erlebnisberichte vom Sterben eines Vaters oder einer Mutter, das von den
Kindern und Enkeln als durchaus hoffnungsvoll erlebt wird. Die
Hinterbliebenen setzen fort, wofür sich der Verstorbene stark machte. Der
Geist des Verstorbenen lebt in den Zurückgebliebenen weiter.
Einen Abschied, der zum Leben ermutigt, feiern wir heute am Fest Christi
Himmelfahrt. Von diesem Abschied heisst es in der Bibel, dass Jesus seine
Jünger und Jüngerinnen beim Weggang segnete und diese voller Freude nach
Jerusalem zurückgekehrt seien (vgl. Lk 24,51-52).
Warum erfüllt dieser Abschied Jesu Jünger und Jüngerinnen mit Freude? Hätten
nicht gerade sie Grund gehabt, ihm nachzutrauern? Wenn wir den biblischen
Text genau ansehen, merken wir, dass er den Akzent nicht nur auf die Freude
setzt, die die Jünger und Jüngerinnen erfüllt, sondern genauso auf das
Vermächtnis, das Jesus ihnen macht. Er verheisst ihnen nämlich seinen Geist.
Jesus hat mit seinem Weggang nicht einfach das Weite gesucht, sondern bleibt
den Seinen im Geist nahe. Durch ihn werden sie ausgerüstet für ihre Aufgabe
und bekommen Lust, als mündige Menschen Jesu Geist weiterzutragen. Er hilft
ihnen in ihrer Schwachheit auf und erinnert sie an ihre verschütteten
Fähigkeiten.
Jesu neue Nähe und seine Zuwendung erfahren die Jünger und Jüngerinnen durch
den Segen des zum Himmel Fahrenden. Im Segen verbindet er sie mit sich und
mit Gott. Der Segen als eine Geste der Liebe, des Schutzes und des Zutrauens
geleitet sie in den neuen Abschnitt des Lebens. Mit dem Segen werden sie in
ihren Alltag entlassen.
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Hauptbahnhof Zürich
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Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Hans-Ruedi Rüfenacht
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