Weg-Wort vom 24. November 2011
Der Seele Raum geben
Kann man das auf sieben oder acht Quadratmetern oder vielleicht 30
Quadratmetern der Kapelle im Bahnhof, der Seele Raum geben?
Ja, das kann man. Ich weiss es einmal aus der Erfahrung meiner Tätigkeit in
der Bahnhofkirche, und zum andern aus der spitzen, von Erfahrung
durchtränkten, Bemerkung eines Kollegen, für den ich heute noch grossen
Respekt empfinde.
Bis zu seiner Pensionierung amtete er in einer kleinen Gemeinde. Sie lag
erhöht auf einem Hügelzug und die Sicht war traumhaft. "Weisst Du", meinte
er, "ich kann nicht verstehen, warum die Menschen hier bei dieser Aussicht
und Weitsicht so kurzsichtig sind."
Weite des Herzens heisst nicht, einfach alles zulassen oder zudecken,
beschönigen oder gar verleugnen, sondern mit grosszügiger Klarheit
offenlegen und benennen: Wahrheit macht frei und dazu braucht es weder die
grosse Wohnfläche, noch die grossartige Aussicht. Das kann auf kleinstem
Raum geschehen.
Trotzdem brauche ich manchmal nicht nur den seelischen Tapetenwechsel,
sondern auch den physischen, dass ich irgendwohin gehen kann, wo die Weite
der Natur mich neu atmen lässt, aufatmen und, der ich meine Enge schenken
kann. Die Enge, die mich gefangen hält, die mir Angst macht, die mir den
Atem nimmt. Sie brauche ich nicht, dafür umso mehr die Weite der Natur, dass
ich sie sehen, einatmen und in mich aufnehmen kann.
Die Enge darf aus mir herausrinnen und ich darf sie aus mir fliessen lassen.
Mit jedem Atemzug füllt sich meine Seele mit der Weite und Güte der
Schöpfung.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
© Ökumenische Bahnhofkirche im Hauptbahnhof Zürich
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