[Wegwort] 16. Nov. 2007

Weg-Wort vom 16. November 2007 Durch verschlossene Türen Unwirtliche Novembertage sind für manche Menschen wie eine dunkle Last. Die Schwermut wird bedrängender. Manchmal kaum mehr zu ertragen. Wenn er es nicht mehr aushält, kommt der bald fünfzigjährige Mann zum Seelsorger. Hier darf er seiner Verzweiflung freien Lauf lassen. Allein schafft er das nicht. Hier kann er seiner Wut, der Enttäuschung und Trauer Ausdruck geben. Auch, dass er nicht mehr weiterleben mag. Manchmal kann er sich gehen lassen und aus tiefem Herzen heulen. Hier darf er auch schimpfen über den da oben, der das alles zulässt. Und dann muss er einfach erzählen von dem, was ihm widerfahren ist. Für seine Depressionen erhält er zwar psychiatrische Hilfe. Da ist er auch daran, seine schwierige, ihn belastende Lebensgeschichte aufzuarbeiten. Aber ohne seinen Glauben hätte er schon längst aufgegeben, meint er. Glaube und Gebet geben ihm trotz allem immer wieder Kraft und Zuversicht. Doch wenn die Schwermut ihn allzu sehr überfällt, vermag er nicht mehr zu beten, findet er sich und Gott nicht mehr. Da sind ihm die Türen nach aussen und nach innen verschlossen. Nur Leere, Einsamkeit und Verzweiflung sind in ihm. Was er dann braucht, ist jemand, der diesen Zustand mit ihm aushält. Der ihn einfach er-trägt und mitträgt, weil er es allein nicht schafft, sich selber auszuhalten. Ein Gebet von Sabine Naegeli kennt diesen Seelenzustand. Es weiss um die tiefe Sehnsucht, dass da jemand ist, der auch durch verschlossene Türen geht: „Mein Gott, ich weiss nicht, wie dein Geist zu mir kommen soll, wenn die Schwermut alle Türen mit eisernen Riegeln verschliesst. Ich weiss nicht, wie ich dir vertrauen soll, wenn du nicht selbst mich dazu bereit und fähig machst. Ich weiss nicht, wie ich dich wahrnehmen soll, wenn meine Augen von Tränen blind sind. Ich weiss nicht, wie ich dich lieben soll, wenn ich dein Nahesein nicht erfahre. Einst kamst du zu den Deinen durch verschlossene Türen. Komm auch zu mir.“ © Bahnhofkirche Hauptbahnhof Zürich Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey www.bahnhofkirche.ch