Das Weg-Wort – Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich

 

Weg-Wort vom 15. September 2021

 

Transformierter Schmerz

 

Ein Zahnarztbesuch ist eine unangenehme Sache. Dort zeigt sich, wie Menschen mit Schmerz umgehen. Die einen versuchen, das Schmerzhafte möglichst zu vermeiden oder hinauszuzögern. Andere wollen sich tapfer dem Schmerz stellen. Bei seelischem Schmerz, etwa bei einem Verlust, sind die Reaktionen ebenfalls sehr individuell. Versinken manche im Leid, versuchen andere sich abzulenken und so schnell wie möglich wieder zur Normalität zurückzukehren.

 

Das Christentum steht im Verruf, Schmerzen und Leid zu verherrlichen. Finden wir doch das Folterinstrument des Kreuzes unübersehbar in fast jeder Kirche, Darstellungen von Märtyrern führen ihre Qualen vor Augen, und manche Frömmigkeitsübungen gingen an die Schmerzgrenze oder darüber hinaus. Man könnte den kirchlichen Gedenktag am 15. September in dieselbe Kategorie einordnen. Die Schmerzen von Mutter Maria stehen heute im Mittelpunkt, besonders ihr Leid unter dem Kreuz und ihre Trauer über den grausamen Tod ihres Sohnes.

 

Mich bringt dieser Tag zum Nachdenken über die christliche Botschaft. Darin wird der Schmerz nicht verherrlicht. Genauso wenig wird er verharmlost. Das Schmerzhafte wird als einen Bestandteil der irdischen Lebensrealität anerkannt. Die Erfahrung zeigt, dass Leugnen und Abwehren den seelischen Schmerz eher noch vergrössern und unerträglicher machen. Im tiefen Gottvertrauen liegt ein bewusstes Ja zu dem, was ist. Es vermag Leiden zu transformieren. „Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie“, besagt ein weiser Spruch. Jesus auf seinem Weg und seine Mutter unter dem Kreuz lebten es uns vor. Mit ihrem Mutterschmerz blieb Maria im Kreis der Nachfolge. Dort durfte sie Verwandlung miterleben, die Auferstehung und Geist-Ermutigung zu neuem Leben und eine zukunftsweisende Gemeinschaft.

 

 

Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche

 

Bild von DonAlfonso auf Pixabay

 

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