Weg-Wort vom 18. Juni 2008
Farbtupfer im Grau des Alltags (2*)
Ein besonderer Weg, etwas Farbe in den grauen Alltag zu bringen, ist für
mich das Ja zur Banalität meines Alltags. Viele Handlungen und Abläufe in
meinem Tag sind zwar immer gleich und mir längst zur Routine geworden. Aber
sie gehören entscheidend zu meinem Leben. Ohne sie könnte ich nicht
existieren.
Es ist darum sinn- und kraftvoll, mich immer wieder neu bewusst für sie zu
entscheiden. So kann ich jeden Tag zu einer anderen Gewohnheit bewusst Ja
sagen und sie zur Besonderheit gerade dieses Tages machen, wie zum Beispiel
mich heute besonders aufmerksam und liebevoll zu rasieren.
Im Ja zur Banalität und zur Routine zeigt sich meine Verlässlichkeit. Es
stärkt meine Achtung vor mir selbst. Aber auch meine Verbindlichkeit und
Treue mir selbst gegenüber und zu den Menschen meiner Umgebung.
Ein weiterer Weg ist für mich, ganz im Augenblick zu sein. Ganz bei dem zu
sein, was ich gerade tue was immer es ist. Wenn ich zum Beispiel mit
jemandem rede, bin ich ganz bei diesem Gespräch, ohne auf die Uhr zu schauen
oder daran zu denken, was anschliessend noch alles zu tun wäre.
Wenn ich mit all meinen Sinnen, meinem Geist und dem Herzen ganz bei der
Sache bin, im Hier und Jetzt, bin ich nicht zerrissen zwischen verschiedenen
Anforderungen. Ich fühle mich nicht gehetzt, auch wenn ich viel zu tun habe.
Denn ich bin ganz mit dem beschäftigt, was ich jetzt gerade tue, und habe in
diesem Moment all meine Energie und Kraft dafür zur Verfügung. Ich kann so
freier und leichter eines nach dem anderen tun.
Immer wenn es mir gelingt, ganz bei einer Sache zu sein, bin ich auch ganz
bei mir, geniesse ich den Moment. Ich bin befriedigt und erfüllt. Natürlich
kann ich nicht in jedem Augenblick ganz da sein, aber je häufiger es mir
gelingt, desto mehr Farbe, Freude und Erfüllung erlebe ich in meinem Alltag.
(* Erster Teil siehe Weg-Wort vom 17. Juni 2008)
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